Mit Gott im Stadion

Es ist nicht leicht, Gott zu sein. Wenn man sich für die Amerikaner zuständig fühlt, ist der Job kaum noch zu bewältigen. Da hat man den Evangelisten Matthäus mit aller gebotenen Deutlichkeit die Warnung aussprechen lassen, dass all jene als »Heuchler« zu betrachten sind, die »an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden«. Doch insbesondere republikanische Politiker in den USA glauben, wenn sie auf einer Rednertribüne stehen, sei das etwas ganz anderes. Wenn dann auch noch widersprüchliche Forderungen vorgebracht werden, macht das die Sache nicht einfacher. Dem einen ist es zu nass, dem anderen ist es zu trocken.
Im April forderte Rick Perry, der Gouverneur von Texas, die Bevölkerung zu dreitägigen Gebeten für Regen auf, es erschien ihm »richtig und passend, dass die Texaner sich zusammenfinden, um demütig für ein Ende der verheerenden Dürre zu beten«. Demütig? Dass man sich als Gott um 150 Milliarden Galaxien mit jeweils 150 Milliarden Planeten kümmern muss und womöglich gerade jemand anders auch ein Anliegen haben könnte, vielleicht ein wichtigeres wie etwa »Rette meinen Planeten vor der Supernova-Explosion«, kommt diesen Texanern nicht in den Sinn. Und natürlich soll alles sofort passieren. Schickt Gott den Amerikanern ein paar Monate später so richtig viel Regen, damit es auch eine Weile reicht, jammern sie über den »Höllensturm« Irene. Schon sagt Michele Bachmann, eine republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses: »Ich weiß nicht, wie viel Gott tun muss, um die Aufmerksamkeit der Politiker zu erlangen. Wir hatten ein Erdbeben, wir hatten einen Hurrikan. Er sagt: ›Werdet ihr mir nun zuhören?‹« Wenn Gott ihnen aber gar nichts zu sagen hat, weil er irrtümlich glaubt, es genüge, sie mit der Fähigkeit zu logischem Denken versehen zu haben? »Hört den Amerikanern zu«, soll Gottes via Irene den US-Politikern überbrachte Botschaft gewesen sein. »Sie wissen, dass diese Regierung unter Fettsucht leidet und wir die Ausgaben kürzen müssen.« Oder war alles nur ein Witz? »Natürlich war ich humoristisch, als ich das sagte«, erläuterte Bachmann. »Das« bezieht sich vermutlich auf die Passage über Gott, nicht auf die Ausgabenkürzung oder ihren Plan, für die Präsidentschaft zu kandidieren. Eine Kandidatur plant auch Perry, der am 6. August im Reliant-Stadion in Houston das »Gebet für eine Nation in der Krise« leitete. Es herrschte Anwesenheitspflicht für den Schöpfer. »Gott war im Reliant-Stadion präsent, und wir wissen, dass Er die Rufe Seines Volkes hörte«, behaupten die Organisatoren des Massengebets. Immerhin erinnern sich noch einige Atheisten der biblischen Mahnungen. Im Online-Magazin Slate schreibt Christopher Hitchens: »Das Risiko der Heuchelei scheint den politisierten Christen, für die laute und eindeutige Erklärungen ein ausreichender Beweis des Glaubens sind, nicht bewusst zu sein.«