Im Beziehungsdschungel

Nicht alles ist Helmut Krausser so hervorragend gelungen wie sein Roman »Die letzten schönen Tage«. Drängten sich in der Novelle »Einsamkeit und Sex und Mitleid« (2009) noch allzu grelle Klischees auf dem Berliner Boulevard, jagt Krausser nun ein äußerst lebendiges Figurenarsenal mit immensem dramaturgischen Geschick durch einen Beziehungsdschungel. Nein, die Hölle, das sind keinesfalls immer nur die anderen. Obwohl es selbstverständlich alles andere als lustig ist, ausgerechnet von jenem ­Alphamännchen Hörner aufgesetzt zu bekommen, dem man seinen ersten Nervenzusammenbruch verdankt. So ergeht es dem Berliner Werbetexter Serge. Dass Freundin Kati ein Verhältnis mit dem verhassten Agenturfotografen David hat, ahnt Serge lange Zeit nicht. Nachdem er es rausgekriegt hat, mutiert er zu einem Teufel der Manipulation – angetrieben von Selbstzweifeln, Paranoia und Eifersucht.
David wiederum kann es gar nicht fassen, dass Kati dann auch ihm den Laufpass gibt. Ziemlich dreckig geht’s auch Davids Mutter, die von von ihrer lesbischen Freundin verlassen wurde. Leicht hat es überhaupt keine der Romanfiguren. Alle hadern mit ihren Lebensentwürfen, manche neigen zum Wahn. Und Krausser ist ein wahrhaft gnadenloser Strippenzieher: Grandios, wie er hier Spannung in sämtlichen Erzählsträngen aufbaut. Immer wenn man denkt, gemeiner geht’s nicht, zieht er die Daumenschrauben weiter an.

Helmut Krausser: Die letzten schönen Tage. Dumont, Köln 2011, 222 Seiten, 19,99 Euro