Ein Besuch bei der Ski-Sport-Firma Elan, der bekanntesten Marke Sloweniens

Skier für die Antifa

Elan ist Sloweniens bekannteste Marke. Das hat aber weniger mit der Partisanen-Vergangenheit der Ski-Sport-Firma zu tun. Ein Besuch im Werk und in der Nachbarschaft.
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Wenn man hier oben steht, können einem die Knie ganz schön weich werden, auch ohne Schnee. Hier setzen sich im Winter die Skispringer mit Blick in Richtung des fast 3 000 Meter hohen Triglav auf einen Holzbalken, bevor sie dann hinunter ins Tal sausen beziehungsweise fliegen. Es geht steil bergab zum Schanzentisch, der Hang, auf dem man später landet, ist von hier oben aus überhaupt nicht zu sehen, erst die Ausfahrt, da wo das Publikum steht, ist wieder sichtbar. Hier in Planica befindet sich die zweitgrößte Skiflugschanze der Welt. Bereits 1929 wurde hier die erste Schanze gebaut, 1936 sprang hier erstmals ein Mensch über 100 Meter weit. Seit sechs Jahren steht auf der 1972 neu errichteten Schanze der Rekord bei 239 Metern. Er wird von einem Norweger gehalten. Slowenen sind schon lange nicht mehr unter den Top-Springern der Welt, was mächtig am slowenischen Nationalstolz nagt, denn Skispringen und -fliegen, das ist eine Art »Volkssport« hier.
Rudi Finžgar war Skispringer und gleichzeitig Schreiner. In Handarbeit fertigte er während des Zweiten Weltkriegs im Untergrund Skier für die Partisanen, 1945 gründete er die Firma Elan, die dann 1948 verstaatlicht wurde. Elan produziert heute immer noch Skier und ist neben dem Haushaltsgerätehersteller Gorenje die einzige auf dem Weltmarkt relevante Marke Sloweniens. »Elan ist bekannter als Slowenien«, sagt Luca Grlic, Projekt- und Designdirektor der Firma. »Wir sind auf der ganzen Welt präsent, in Kanada, Japan, Europa, in den USA.« Auf die Partisanen-Vergangenheit sei man sehr stolz. Wie sich das ausdrückt? »Wir kämpfen immer noch, immer gegen die Großen.«
So bedeutend die Marke Elan für die slowenische Wirtschaft ist und auch für die jugoslawische schon war, so unscheinbar ist auf den ersten Blick das kleine Örtchen Begunje, wo die Fabrik steht. 710 Mitarbeiter hat Elan hier und ist damit der größte Arbeitgeber der Region. Begunje liegt umgeben von einem herrlichen Alpenpanorama in der Region Gorenjska, auch Oberkrain genannt, keine halbe Stunde Autofahrt von Planica entfernt. Tritt man bei Elan aus dem Firmenausgang, fällt der Blick wiederum auf den Triglav, das Wahrzeichen Sloweniens. Geht man dann ins Dorf hinein, findet man ein Museum, das dem Volksmusiker Slavko Avsenik gewidmet ist, der mit seinen »original Oberkrainern« der erfolgreichste Musiker des Landes ist. Auch Avsenik war übrigens zunächst Skispringer, bevor er das Akkordeonspielen lernte.
Doch das malerische Begunje hat auch eine dunkle Seite, und die hat wie so oft mit den Deutschen zu tun. Im Schloss Katzenstein befand sich zwischen 1941 und 1945 das Gestapo-Gefängnis, hier wurden Geiseln erschossen, für jeden von Partisanen getöteten Deutschen zehn Slowenen (siehe Inland-Seite 4). Heute sitzen Menschen im Morgenrock im Park hinter dem Schloss, denn inzwischen ist hier eine Psychiatrie untergebracht, aber auch ein Museum gibt es und mehrere Denkmäler, die an den Terror der Nazi-Zeit erinnern.
An den Freestyle-Ski »Partisan« hingegen erinnert sich Luca Grlic in der Zentrale von Elan erst auf Nachfrage. Vor vier Jahren hatten sie diesen Ski auf den Markt gebracht. Er ist extrem cool und stylisch mit Partisanen-Motiven, rotem Jugo-Stern und mit einem integrierten Flaschenöffner. Partisanen-Popkultur. Doch der Ski floppte total, gibt Grlic zu. Der Freestyle-Markt liege hauptsächlich in den USA und da könnten die Kids eben nichts mit Partisanen anfangen: »Partisan, Taliban, das ist für die alles dasselbe, Krieg irgendwie, das finden die nicht cool.« Er greift zum Telefonhörer, und es dauert eine halbe Stunde, bis ein Mitarbeiter irgendwo tief im Lager noch ein paar Skier der Marke »Partisan« aufgetrieben hat.
Elan ist ein kleines Unternehmen, umso mehr legt man Wert auf »innovative Produkte«, denn die Kunden sind allesamt Ski-Nerds, die wollen Qualität und immer das neueste heiße Ding. 1993/94 sei es auch Elan gewesen, das den ersten Carving-Ski auf den Markt gebracht habe, sagt Grlic. Dabei produziert Elan nicht nur Skier, sondern seit einiger Zeit auch Segelboote und in einer österreichischen Filiale Snowboards. Doch wichtiger als all das war für die Firma Elan ein einzelner Mann, ein Schwede. Der Ski-Star Ingemar Stenmark, der zwischen 1973 und 1989 insgesamt 86 Siege im Alpinen Weltcup erzielte und nach wie vor einer der erfolgreichsten Ski-Rennsportler aller Zeiten ist, fuhr während seiner ganzen Karriere auf den Skiern der kleinen jugoslawischen Elan-Fabrik, obwohl er millionenschwere Angebote von den anderen Firmen erhielt. So ist er als Schwede zu einem jugoslawischen, später slowenischen Star geworden, er wird in Begunje nicht weniger verehrt als ein paar Meter weiter im Museum Slavako Avsenik. Im Eingangsbereich der Elan-Zentrale prangt riesig groß Stenmarks Foto. Wenn Grlic über ihn redet, gerät er ins Schwärmen. Bis heute ist Stenmark über Promotionverträge mit Elan verbunden.
Der wirtschaftliche Erfolg der Firma ist trotz dieser schwedischen Unterstützung zweifelhaft. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens ging auch Elan zunächst Bankrott. Die Gläubiger verkauften das Werk an eine kroatische Bank, und so wurde die Firma in den nächsten Jahren von Kroatien aus geleitet – und machte wieder Gewinn. Seit dem Jahr 2000 gehört Elan der Slowenischen Entwicklungsgesellschaft, das heißt der Regierung. Man kann also sagen, dass Elan mitten im Kapitalismus ein zweites Mal verstaatlicht wurde. Geschäftsführer ist Primož Finžgar, ein Sohn des Firmengründers, des Partisanen. Nun würden gerade die größten Anstrengungen zu einer Reprivatisierung unternommen, erklärt Grlic. Ist das wirklich besser? Grlic antwortet: »Was hat die Regierung in so einem Unternehmen wie unserem zu suchen? Wir sind ja kein strategisches Unternehmen wie die Post, die Bahn oder ein Energie-Erzeuger.«
Und da hat der freundliche Herr Grlic natürlich Recht: Die letzte strategisch bedeutsame Produktion der kleinen Firma in Begunje war zugleich ihre erste – Skier gegen Deutschland. Dafür aber ist ihr der Dank bisher versagt geblieben, aber womöglich gibt es für den Freestyle-«Partisan«-Ski ja noch eine zweite Chance.