Stockholm-Syndrom in Oslo

Während in Deutschland gerade wieder einmal eine Staffel von »Big Brother« (BB) weitgehend unbemerkt zu Ende gegangen ist – und was für eine: diesmal hatten alle Teilnehmer ein zu erratendes Geheimnis in der Art von »kann freihändig eine Treppe heruntergehen« –, wird andernorts heftig über die Überwachungsshow diskutiert. Und da BB Deutschland häufiger Ideen aus anderen Ländern aufgreift, wird womöglich auch bald hierzulande das laufen, was in Norwegen gerade gesendet wird: Big »Grubenunglück in Chile« Brother. Man sei das klassische Format mit Sex und Alkoholexzessen leid gewesen und habe daher dieses Mal ein »psychosoziales Experiment« präsentieren wollen, hatte der Produzent des norwegischen Reality-Soap-Formats, Kim Alexander Orerød, vor dem Start gesagt. Also wurden die Insassen zur Begrüßung in Sträflingsklamotten gesteckt und in der ersten Woche unter anderem aneinander gekettet, wohl um ihnen das echte Gefühl verschütteter Grubenarbeiter zu vermitteln. Später wurde das berühmte und mittlerweile höchst umstrittene »Stanford Prison Experiment« aus dem Jahre 1971 nachgespielt, eine Untersuchung über Gruppendynamik, für die die Beteiligten in Gefangene und Wärter eingeteilt wurden. Außerdem geplant: das Stockholm-Syndrom im Big-Brother-Haus.
Aber vielleicht brauchen die restlichen Bewohner den Psychoquatsch nicht mehr lange über sich ergehen zu lassen: Die Einschaltquoten der Show sind mies, dem Twitter-Account von BB-Norge folgen nur 400 Leute, und selbst Fans sind nicht glücklich über das Konzept. »Sie mögen nicht die schärfsten Messer in der Schublade sein, aber so eine Behandlung hat niemand verdient«, kommentierte ein Zuschauer das Spektakel im Chat einer Tageszeitung – und erhielt ungewöhnlich viel Zustimmung.