Der nächste Schuss

Prekär beschäftigt zu sein, ist eigentlich gar nicht so schlimm, solange man es sich leisten kann. In Berlin macht ein prekäres Dasein jedoch bekanntlich immer weniger Spaß wegen der ganzen Gentrifizierung. Aber auch da lassen sich Wege aus der Misere finden. Man zieht an den Stadtrand oder wieder in eine WG. So gar nicht ins Konzept einer prekären Existenz passen allerdings weniger die äußeren als die rein persönlichen Umstände. Beispielsweise das Älterwerden. Das kann man sich eigentlich überhaupt nicht leisten. Plötzlich faulen einem die Zähne weg, und so mancher Kollege in dieser Zeitung kann nur deswegen zubeißen, weil ein guter Teil des Erbes dem Zahnarzt überwiesen wurde. Natürlich muss man sich fragen, was das denn für ein Gesundheitssystem ist, das einem nicht mal mehr erlaubt, ein Stück Schokolade zu essen, ohne dass man das Gefühl hat: Das kann jetzt aber teuer werden. Wenn man im Prekariat älter wird, bleibt ­irgendwann nichts mehr für den Hedonismus, für Drogen und den ganzen Quatsch, der einem in jüngeren Jahren so wichtig war. Plötzlich muss man sein Geld, das man sowieso nicht hat, in seine Gesundheit investieren. Bei mir ist es der Rücken. Hexenschuss. Das bedeutet: Praxisgebühr, Investition in ein Wärmekissen und eine Schmerztherapie. Die Spritzen bezahlt die Kasse, die Akkupunktur nicht. Also lieber keine Nadeln in den Ohren, dafür sticht es weiterhin in der Hüfte.