Die »Occupy Oakland«-Bewegung besetzte den Hafen der Stadt

Aus der kalifornische Traum

Demonstranten von »Occupy Oakland« besetzten vergangene Woche den Hafen der kalifornischen Stadt. Die lokale Regierung schwankt zwischen Repressionsmaßnahmen gegen die Bewegung und der Besinnung auf das progressive Image Oaklands.

In Oakland haben Proteste Tradition. Immerhin wurde hier 1966 die Black-Panther-Bewegung gegründet. Doch der seit Wochen anhaltende Protest unter dem Motto »Occupy Oakland« scheint die Stadtregierung zu überfordern. Am Mittwoch vergangener Woche besetzten Tausende Menschen in Oakland nach einer Demonstration den Hafen. Der sogenannte Generalstreik legte den fünftgrößten Hafen der USA bis spät in die Nacht lahm und wurde erst mit dem Eingreifen der Polizei beendet. Die Massenkundgebung vom 2. November war die zweite ihrer Art in Oaklands Geschichte. Als 1946 Verkäuferinnen eines Kaufhauses für ihr Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, auf die Straße gingen, war der Streik von der Staatsmacht kurzerhand mit Knüppeln beendet worden.
Das Verhältnis zwischen Demonstrierenden und Behörden bleibt weiterhin angespannt. Denn für viele in Oakland ist die »Occupy«-Bewegung auch eine Demonstration des Widerstands gegen die knallharte Staatsgewalt: Es brodelt hier bereits seit Jahren. In der Silvesternacht 2009 schoss ein Sicherheitsbeamter dem U-Bahn-Passagier Oscar Grant in den Rücken, daraufhin gab es damals Proteste. Der »Occupy«-Protest hat hier eine viel größere Bedeutung als in anderen Städten. Als Ende Oktober die Polizei von Oakland Demonstrantinnen und Demonstranten mit Hartgummigeschossen vertrieb (Jungle World 45/11), wurden diese dadurch in ihrem Mut nur bestärkt. Die Besetzerinnen und Besetzer kehrten zahlreicher zurück und brachten die Behörden, insbesondere den Polizeipräsidenten Howard Jordan und die Bürgermeisterin Jean Quan, in eine unangenehme Situation.

An die acht Millionen Dollar soll die Besetzung des Hafens die Stadt und diverse Reedereien gekostet haben. Eine kleine Splittergruppe verwüstete Filialen und Geldautomaten der Bank of America sowie einen Öko-Supermarkt. Die Randalierer besetzten ein leerstehendes Gebäude, legten in der Innenstadt Feuer und beschossen die Polizei mit M80-Sprengkörpern. Kurz nach ein Uhr morgens setzte die Polizei Tränengaspatronen und Blendgranaten ein. Polizeipräsident Jordan sprach von etwa 70 »Unruhestiftern«. Angeblich kam es in der Nacht zu 30 bis 40 Verhaftungen.
Doch die Bewegung ist gespalten. Sicher gibt es einen militanten Kern, besonders in einer Stadt wie Oakland, in der 30 Prozent der Einwohner keinen Schulabschluss haben und die Kluft zur reichen Schwesterstadt San Francisco gewaltig ist, aber es gibt auch eine Mittelklasse, die sich in Auflösung begriffen sieht und auf die Straße geht. Unterstützt wurde der Generalstreik auch von etwas wohlhabenderen Bürgerinnen und Bürgern von der anderen Seite der Bucht. Den ganzen Mittwoch vergangener Woche über konnte man beobachten, wie vorwiegend jugendliche Demonstrierende, mit Plakaten und I-Phones gewappnet, in der gediegenen Innenstadt von San Francisco in die U-Bahn Richtung Oakland stiegen. Für viele war es sicherlich ein Abenteuerurlaub, für andere bitterer Ernst. Die Oaklander Gewerkschaft »Alameda Labor Council« sprach in einer Erklärung davon, dass die Menschen Veränderungen wollten in einem Land, in dem 25 Millionen Personen keine Arbeit und 50 Millionen keine Krankenversicherung haben und ein Fünftel aller Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebt. Eine Demonstrantin, die Krankenschwester und Gewerkschaftlerin Martha Kuhl, erklärte, sie und ihre Kolleginnen und Kollegen wüssten nur allzu gut, wie sich die schlechten Arbeitsbedingungen und die unzureichende Gesundheitsversorgung auf die Menschen auswirkten. »Es gibt immer mehr Leute ohne Versicherung und immer mehr Menschen, die sich nicht mal mehr ihre Medikamente leisten können«, so Kuhl. »Oakland wurde von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen. Wir sehen die Probleme täglich bei unserer Arbeit.«

Die »Occupy«-Bewegung und der Generalstreik brachten Oaklands Bürgermeisterin in eine heikle Situation. Die Handelskammer der Stadt wollte die Großdemonstration am liebsten verhindert wissen. In einem offenen Brief an das Bürgermeisteramt erklärte Paul Junge von der städtischen Handelskammer: »Sollte bei den Kundgebungen am Mittwoch etwas schiefgehen, muss jemand zur Verantwortung gezogen werden.« Junge erweist sich immer deutlicher als einer der größten Gegner der Bewegung, er verglich die Teilnehmer mit »Kindern«, die man erziehen müsse. Dabei sympathisiert Bürgermeisterin Quan offen mit ihnen. »Wie so viele Bürger von Oakland«, sagte die Demokratin in einer Stellungnahme, »stehe ich hinter den Zielen derer, die für die 99 Prozent auf die Straße gehen.« Immerhin hat Quan in ihrer Jugend selbst demonstriert.
Eine klare Linie ist nicht erkennbar, der Konflikt zwischen einer progressiven Bürgermeisterin und einem harten Polizeiapparat scheint unvermeidlich. In der Nacht der Hafenbesetzung ging die Polizei von Oakland bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Erst Ende Oktober war der Irakveteran Scott Olson schwer verletzt worden. Und dennoch versichert Sue Piper, die Pressesprecherin der Bürgermeisterin, der Jungle World: »Die Bürgermeisterin arbeitet sehr eng mit dem Polizeichef und der Stadtverwaltung zusammen.« Bislang ist davon nichts zu merken. Die Stadtregierung scheint orientierungslos zu sein und Quan ist bei der »Occupy«-Bewegung verhasst. Einige vermummen sich sogar mit Masken, die ihr Gesicht darstellen. »Es ist eine schwierige Gratwanderung«, so Piper. »Die Stadt hat schon immer progressiven Aktivismus unterstützt. Aber wir sind auch für die öffentliche Sicherheit verantwortlich.«
Fest steht, dass das harte Durchgreifen der Polizei die »Occupy«-Bewegung weiter anstachelt. Und die Stadt Oakland scheint den Ereignissen hinterherzuhinken. »Wir müssen sehen, wie es von Tag zu Tag weitergeht«, sagt Piper. »Wir wollen mit den Menschen zusammenarbeiten.«