Dabei bleiben ist alles

Guttenberg und Wulff in einer Person, das wäre schon eine zu große Zumutung. Was woanders für eine politische Krise sorgen würde – ein Staatspräsident, der sich seine akademischen Weihen mit einer plagiierten Doktorarbeit erschlichen hat –, fügt sich im postdemokratischen Ungarn bestens ein. »Dem Land bleibt offenbar gar nichts erspart«, stellt die deutschsprachige Online-Zeitung Pester Lloyd ernüchtert fest, die einen Rücktritt des ungarischen Präsidenten Pál Schmitt für unwahrscheinlich hält. Zu allmächtig sei die Regierung Viktor Orbáns, von deren Gnaden Schmitt ist. Zuvor hatte ein ungarisches Wochenmagazin aufgedeckt, dass dieser über vier Fünftel seiner 1992 eingereichten Arbeit über die modernen Olympischen Spiele beim bulgarischen Sportwissenschaftler Nikolao Georgiev abgeschrieben haben soll. Das ergab der Vergleich mit einer 1987 verfassten Arbeit Georgievs. Immerhin müsste Schmitt das französische Original übersetzt und abgetippt haben. Das hat er dem Copy-und-Paste-Betrüger Guttenberg voraus.
Das Präsidialamt dementierte den Vorwurf umgehend. Der zweimalige Olympiasieger im Fechten sei mit Georgiev befreundet gewesen, ihren Arbeiten lägen dieselben Quellen zugrunde. Doch von einer solchen Freundschaft weiß die Tochter des 2005 verstorbenen Bulgaren nichts, auch soll sich in der Arbeit keinerlei Nachweis über diese Quellen finden. Dass die Arbeit dennoch mit der Bestnote bewertet wurde, sollte Freunden der Wissenschaft zu denken geben, für das Präsidialamt jedoch ist dies der Beweis für Schmitts Integrität. Und dennoch lässt sich das Plagiat als »echter Schmitt« bezeichnen. Für große geistige Leistungen ist der ungarische Präsident nicht gerade bekannt. Sein Traktat zur »Rettung« der ungarischen Sprache etwa wimmelte derart von sachlichen und sprachlichen Fehlern, dass er, dem Spott preisgegeben, dieses wieder aus dem Internet entfernen ließ. Zudem gilt Schmitt als »Kugelschreiber der Nation«, hat er doch seit seinem Amtsantritt 2010 319 Gesetze abgezeichnet, ohne diese verfassungsrechtlich zu prüfen oder auch nur kritisch zu kommentieren. Bezeichnenderweise hat die Regierung nun die Statistiken zu Schmitts Amtsführung stutzen lassen. Schmitt ist offenbar der perfekte Repräsentant der ungarischen Politik. Wo die öffentlichen Medien schon einmal missliebige Personen aus Nachrichtenbildern wegretuschieren oder zehntausende Demonstranten aus der Berichterstattung verschwinden lassen, liest sich der Vorwurf der Manipulation geradezu als Qualifikation.