Über den Film »In the Land of Blood and Honey« von Angelina Jolie

Als das große Durcheinander kam

Angelina Jolies viel diskutiertes Regiedebüt »In The Land of Blood and Honey« ist eher gut gemeint als wirklich gut.

Ein Plädoyer für den Schutz von Frauen und Kindern soll er sein, der Film »In The Land of Blood and Honey«. Und, wie die Regisseurin nicht müde wird zu betonen: eines für das militärische Eingreifen einer wie auch immer gearteten internationalen Gemeinschaft. Es sei unverständlich, sagt die UN-Botschafterin, dass man Aggressoren nicht einfach per Drohne, gerne US-amerikanischer Herkunft, liquidiere. Wofür gibt’s denn die Dinger?
Um ein knackiges Statement ist die UN-Friedensbotschafterin, die sich, wie sie sagt, weltweit um »meine Flüchtlingscamps« kümmert, nicht verlegen. Dabei vergisst sie offenbar, dass etwa in Srebrenica, dem Schauplatz des mutmaßlich größten Massakers im bosnischen Krieg, ein UN-Kontingent Soldaten stationiert worden war. Morde wurden dadurch indes nicht ver­hindert.
Außerdem wurden gerade die in Bosnien stationierten Blauhelmtruppen kritisiert, weil Soldaten und Polizisten Schutzgelder von Bordellbetreibern kassiert haben sollen, die minderjährige Mädchen zur Prostitution mit ebenjenen Truppen zwangen.
Kinderbordelle unter der Ägide internationaler Schutztruppen sind seitdem ein Dauerthema. Auch dies hätte eigentlich die Aufmerksamkeit der UN-Botschafterin Jolie verdient.
Gut, man bringt in einem Zwei-Stunden-Film nicht alles unter. Dennoch möchte Jolie ihren Film nicht eindimensional verstanden wissen: Ein vielschichtiges psychologisches Porträt des Krieges soll er sein.
Dass die wohl – neben ihrem Ehemann Brad Pitt – derzeit größte Ikone der Filmindustrie sich des Bosnienkrieges angenommen hat, hat bei den Berliner Filmfestspielen, wo der Film lief, für viel Aufregung gesorgt, und auch sonst in der Welt. Filmkenner hätten sich als Regiedebüt der Actiondiva wohl eher die erste weibliche James-Bond-Interpretation vorgestellt. Nun, viele Frauen sind es nicht, die Kriegsfilme drehen.
In Sarajevo soll man das Werk beklatscht haben, in Serbien schaut man es sich nicht an. Ein weiteres Machwerk, sagt man dort, in dem die Serben als alleinige Aggressoren des Bürgerkrieges verunglimpft würden. Kriegsverbrechen, nicht zuletzt die in dem Film thematisierten systematischen Vergewaltigungen, habe es auf allen Seiten gegeben. Man habe doch nur die muslimischen Terroristen bekämpft.
Jugoslawien gibt es nicht mehr, die heutigen Teilrepubliken, einschließlich Serbien, beeilen sich artig zu sein, für das Aufnahmeverfahren in die Europäische Union. Ansonsten herrscht Arbeitslosigkeit.
Filme über den Krieg in Jugoslawien haben hierzulande eine besondere Bedeutung: War der Kampfeinsatz doch der erste militärische Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem auch deutsches Militär zum Einsatz kam und es in der Bundesrepublik eine bisher nicht gekannte Angriffspropaganda gab. Deutschland hat in diesem Krieg eine sehr aktive Rolle gespielt, schon zu Beginn, etwa mit der sehr fixen Anerkennung Kroatiens als eigenständige Nation. Wir erinnern uns auch an jenes »Nie wieder Auschwitz« des damaligen Außenministers Joseph Fischer, das den Einsatz legitimieren sollte.
Waren die Einheiten der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee wirklich wie die Nazis? Ein bizarrer Vorwurf angesichts der Tatsache, dass sich die jugoslawische Bevölkerung noch sehr gut an die Anwesenheit der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg erinnerte.
»In The Land of Blood and Honey« beginnt im Jahr 1992, und das laut. Während sich der serbische Polizist Danijel (Goran Kostić) und die bosnisch-muslimische Malerin Aijla (Zana Marjanovic) in einer Diskothek beim Tanzen näherkommen, beginnt der Krieg. Eine Bombe wurde gelegt, von wem, erfährt man nicht. Die Hälfte der Gäste liegt in Fetzen. Schnitt.
Danijel hat die Armeeuniform an, er ist nun Hauptmann der jugoslawischen Streitkräfte. Mit seinen Soldaten hat er sich in einem großen Haus niedergelassen. Seine Kompanie beschäftigt sich mit ethnischen Säuberungen. Die muslimische Bevölkerung soll vertrieben werden. Menschen werden erschossen, Kinder getötet. Frauen werden interniert – Vergewaltigungen und Folter gehören zur Tagesordnung.
Auch Aijla gerät in die Fänge der serbischen Miliz. Unter ihren Bewachern erkennt sie Danijel. Die beiden scheinen sich aus den Augen verloren zu haben, aber offensichtlich lieben sie sich immer noch. Er schützt sie vor den Gewalttätigkeiten seiner eigenen Leute, indem er sie als sein Privatspielzeug deklariert. Der Lageralltag ist grausig. Eines Tages gelingt Aijla die Flucht.
Danijels Einheit wird verlegt. Er trifft seinen Vater, den General der Truppe. Von ihm erfährt man in einem etwas hölzern vorgetragenen Monolog von der Motivation der Kämpfer: 1944 hätten muslimische und kroatische Ustasha-Verbände unter dem Schutz der Wehrmacht Danijels Großmutter und seine Onkel massakriert. Die Serben befürchten nun – nach dem Ende des Ostblocks – eine erneute Konfrontation mit den alten antirepublikanischen Kräften. In den Reden des Vaters vermischen sich Standpunkte serbischer Tschetniks mit antifaschistischen und schließlich antimuslimischen Motiven. Man habe schon vor 500 Jahren die Osmanen zurückgeschlagen. So verstehen sich die serbischen Einheiten als Kämpfer vor den Toren Europas und nicht zuletzt auch als diejenigen, die den Faschismus besiegt haben.
Aijla indes trifft ihre Schwester wieder, die für eine bosnisch-muslimische Widerstandszelle arbeitet. Serben haben ihr Kind aus dem Fenster geworfen. Nach einiger Zeit wird Aijla erneut von serbischen Truppen gefangen genommen. Wiederum quartiert Danijel Aijla bei sich ein. Seinen Männern erklärt er, sie sei nun die Hofmalerin der Truppe.
Bei ihren Treffen landen die beiden regelmäßig in den Federn. Den Liebesszenen haftet dabei etwas ungemein Gestelltes an. Als sei die Beziehung aus dem Rest des Films extrahiert, stellt sie sich als wortkarges, aber sprichwörtliches Spiel in der Kammer dar. Streckenweise treten Dialoge und Schauspiel dermaßen seltsam auf der Stelle, dass man sich an Laienspiele Marke Pasolini erinnert fühlt.
Dabei gibt Danijel eine mehr und mehr zerrissene Figur ab: Sein dominanter, muslimhassender Vater kommt hinter die Geschichte mit Aijla und lässt die junge Frau von einem Soldaten Danijels vergewaltigen. Der reagiert umgehend, bringt den Täter um, kuscht aber weiter vor dem alten Herrn. Aijla gegenüber gibt er sich von gewalttätig bis liebevoll. Wiederum steht die Zeit im Zimmer still. Aijla malt, während Danijel draußen ein wenig die Stadt beschießt.
Theaterhaft ist auch die abrupte Wendung, die der Film nimmt, als Danijel in einer Kirche nur knapp einem Bombenattenat entgeht. Außer Aijla kann niemand von diesem Kirchgang gewusst haben. Er stellt sie zur Rede, sie gibt zu, ihn verraten zu haben, diesem verworrenen Krieg fallen irgendwann alle zum Opfer.
Angesichts der Handlung dieses Films brauchen sich die Freunde Serbiens jedenfalls nicht aufzuregen, es sei denn, sie vermissen in der Hauptfigur einen harten Kämpfer. Denn das ist der verunsicherter Soldat Danijel, der weder seinem überzeugten Vater noch seiner Soldateska traut, nicht. Den Rest seines Lebens wird er in Den Haag oder brabbelnd im Garten verbringen. Wir haben es mit einem gebrochenen Mörder und einer Liebe unter unmöglichen Bedingungen zu tun.

»In The Land of Blood and Honey«. USA 2011. Regie: Angelina Jolie. Darsteller: Zana Marjanovic, Goran Kostic, Rade Šerbedžija. Start: 23. Februar 2012