Mobile Sterbehilfe in den Niederlanden

Bei Anruf Tod

In den Niederlanden stehen künftig sechs »mobile Sterbehilfe-Teams« bereit, die sterbewillige Patienten zu Hause aufsuchen. Die Deutsche Hospiz-Stiftung warnt vor den Folgen einer allseits verfügbaren Sterbehilfe.

Man ruft einfach an oder füllt online ein Anmeldeformular aus. Sterbewillige Patientinnen und Patienten in den Niederlanden haben seit Donnerstag vergangener Woche die Möglichkeit, sich mit ihrem Wunsch an sechs »mobile Sterbehilfe-Teams« zu wenden, die sie zu Hause aufsuchen und beraten. Ein Team besteht jeweils aus einem Arzt oder einer Ärztin und einem Krankenpfleger oder einer Krankenschwester. Zugleich öffnete in Den Haag eine Klinik für Sterbehilfe. Beide Initiativen gehen von der »Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende« (NVVE) aus, die mit etwa 130 000 Mitgliedern die größte Organisation dieser Art in den Niederlanden ist. »Die Klinik umfasst bislang nur ein bis zwei Betten. Mehr werden aktuell nicht benötigt, da die meisten Patienten zu Hause sterben möchten«, sagt Walburg de Jong, Pressesprecherin der NVVE. Beide Angebote halten sich streng an die Vorgaben des niederländischen Sterbehilfe­gesetzes, ergänzt sie.

Die Niederlande haben seit etwa zehn Jahren das liberalste Sterbehilfegesetz der Welt. Alle Niederländerinnen und Niederländer haben das Recht, aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte werden straffrei gestellt, wenn sie den Fall vorher genau geprüft, eine weitere Expertenmeinung eingeholt haben und eine Fachkommission den Fall geprüft hat. Aber nicht alle Ärztinnen und Ärzte sind bereit, sich an der Sterbehilfe zu beteiligen. Neben ethischen oder religiösen Gründen mag auch die Scheu vor einer Fehlentscheidung eine Rolle spielen. Untersuchungen im Auftrag der niederländischen Regierung zeigten immer wieder, dass es auch umstrittene Fälle von Sterbehilfe gab. So könnten Angehörige etwa dank der Sterbehilfe schneller an ein mögliches Erbe kommen.
»Einige Hausärzte wollen keine Sterbehilfe vollziehen. Da können die mobilen Teams helfen«, sagt de Jong. Angst vor einem »Dammbruch« hat die NVVE nicht. Schließlich könne es Fälle geben, in denen selbst die mobilen Teams eine Sterbehilfe verweigern. Und letztendlich dürfen auch die Teams nicht voreilig die Todesspritze verabreichen, sondern müssen den Fall zunächst mit einem weiteren Arzt oder einer Ärztin besprechen und ihn schließlich einer Prüfungskommission vorlegen. Jeden Tag werden die Teams nicht im Einsatz sein. »Die Teams führen ihre Tätigkeit nur in Teilzeit aus, zum Teil neben ihrem eigentlichen Job. Die psychische Belastung wäre sonst zu groß«, erklärt de Jong.

In den Niederlanden nehmen jährlich ungefähr 2 300 Menschen das Angebot der aktiven Sterbehilfe in Anspruch. Einige fürchten, die Dunkelziffer sei weitaus höher. Die niederländische Ärztevereinigung sieht die Arbeit der NVVE ebenfalls kritisch. Bedenken äußern die Medizinerinnen und Mediziner unter anderem wegen der Tat­sache, dass die mobilen Teams nicht das vertraute Verhältnis zwischen Patient und Hausarzt ersetzen können.
In Deutschland reagierte die Deutsche Hospiz-Stiftung sofort mit einer kritischen Presseerklärung auf die Entwicklungen in den Niederlanden. »Das Konzept der Euthanasielobby lautet: Tod muss überall und für jeden verfügbar sein. Die Sorgfaltskriterien spielen dabei überhaupt keine Rolle. Die steigenden Sterbehilfezahlen belegen das«, sagt Eugen Brysch, Geschäftsführer der Hospiz-Stiftung. Seiner Ansicht nach ist die Sterbehilfe keine Alternative. Es mangele an palliativer medizinischer Versorgung. »Es reicht nicht aus, für zehn Prozent der Sterbenden palliative Angebote vorzuhalten. Wenn der größte Teil der Bevölkerung Angst vor Abhängigkeit, Pflege und Einsamkeit hat, dann sind die paar Inseln der pallia­tiven Therapie keine Antwort auf seine Nöte«, sagt Brysch. Die NVVE ist immer wieder erstaunt über die Kritik aus dem Nachbarland. Schließlich hätten sich 85 Prozent der Niederländer für die aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Da kann man einzelne dubiose Fälle anscheinend gut verkraften.