Kritik am Extremismusprogramm des Familienministeriums

Eine Ministerin sieht rot

Das Deutsche Jugendinstitut kritisiert Kristina Schröders Extremismusprogramm.

Dieses verflixte Internet aber auch immer! In der guten alten Zeit konnten Politiker bei Bedarf – etwa wenn ein Gutachter die Eignung eines politisch günstig gelegenen Salzstocks als Atommüll­endlager anzweifelte – ihre Aktenschränke zum Grab für unbequeme Dokumente umfunktionieren. Spätestens seit den Veröffentlichungen von Wikileaks ist aber klar, dass das mit dem Geheimhalten nicht mehr so einfach ist.
Das musste nun auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) lernen. Gerne hätte sie einen Bericht des Deutschen Jugendinstituts (DJU) unter Verschluss gehalten, in dem ihr Programm »Demokratie stärken gegen Linksextremismus und Islamismus« gar nicht gut wegkommt. Und das DJU ist nicht irgendwer, sondern offiziell mit der Evaluation der Programme des Familienministeriums gegen »Extremismus« betraut. Ärgerlich für Schröder, dass der DJU-Bericht irgendwie in die Hände der Taz gelangte, die zunächst nur die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasste: Insbesondere die Programme gegen »Linksradikalismus« seien ineffektiv, Materialien und Konzeption unzulänglich, und nicht zuletzt basiere das Ganze auf einem Begriff des »Linksextremismus«, der wissenschaftlich mindestens fragwürdig sei. Nichts also, was nicht schon jedem aufgefallen wäre, der Schröders Hyperaktivität auf diesem Gebiet schon länger beobachtet.

Sie hätte den Artikel in der Taz also einfach ignorieren, vielleicht auch das DJU auf seine mögliche Unterwanderung durch ideologisch verblendete Altachtundsechziger untersuchen lassen können. Dass ihr unermüdlicher Kampf gegen die rote Gefahr nicht gerade auf Begeisterung links von der CDU stößt, ist sie schließlich gewohnt.
Möglicherweise hätte Schröder auch die Teilnahme an einem Programm zur Medienkompetenz gutgetan, wie es von ihrem eigenen Haus gefördert wird. Angesichts der Qualität der Projekte, die ihr Ministerium zu bieten hat, könnte man andererseits aber auch mutmaßen, sie habe genau das getan. So oder so – Schröder blaffte, von einer negativen Bewertung könne keine Rede sein, kündigte die Veröffentlichung einer Zusammenfassung des DJU-Berichts an und ließ es sich nicht nehmen, der Taz schlechte Recherche vorzuwerfen. Dass eine Redaktion so etwas nicht gerne auf sich sitzen lässt, hätte Schröder zumindest ahnen können. Die Taz stellte kurzerhand die komplette Studie ins Netz. Nun kann jeder die Begeisterung der Wissenschaftler schon an einem einzelnen sarkastischen Satz ablesen: »Ein Projekt gibt an, nur mit männlichen Jugendlichen zusammenzuarbeiten, was sich aus der Tatsache ergibt, dass dieses Projekt erst einen Teilnehmer für seine Maßnahme gewinnen konnte.« Aufschlussreich ist auch der Hinweis, »die vergleichsweise niedrige Kofinanzierung von zehn Prozent – im Gegensatz zu 50 Prozent im Bundesprogramm ›Toleranz fördern – Kompetenz stärken‹«, wie das Ministerium seine Initiativen gegen Rechts betitelt, »wurde von den Projekten als große Erleichterung wahrgenommen«. Anders gesagt: Während das Ministerium sich seine Initiativen gegen den linken Terror sehr viel kosten lässt, stehen bewährte antifaschistische Institutionen wie etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung als Bittsteller da und müssen sehen, wo sie den Rest des nötigen Geldes herbekommen – und selbstverständlich die berüchtigte »Demokratieerklärung« bzw. Extremismusklausel unterzeichnen.

Es dürfte die Ministerin daher besonders wurmen, dass das DJU darauf hinweist, die Klausel erschwere auch den »Demokratie stärken«-Projekten die Arbeit »aufgrund der ablehnenden Haltung mancher Kooperationspartner und der Unsicherheit, wie intensiv die Überprüfung poten­tieller Kooperationspartner und Referentinnen und Referenten ausfallen muss«.
Derartige Unsicherheiten kennt man beim Workshop »Dortmund den Dortmundern« nicht. Unter diesem programmatischen Motto sollen 30 militante Neonazis eingeladen werden, mit 30 nichtrechten Jugendlichen »eine Brücke zur Gegenüberstellung der Meinungen« zu bauen – vom Familienministerium aus dem Programm »Toleranz fördern« mit 300 000 Euro unterstützt. Die örtliche Naziszene hat bereits reges Interesse am toleranzfördernden Meinungsaustausch bekundet.