Der Übriggebliebene

Es sah zuletzt nicht gut aus für den Abtrünnigen der Muslimbrüder. Nach der Entscheidung der Wahlkommission am vergangenen Wochenende könnte Abdel Moneim Aboul Fotouh als Übriggebliebener doch noch ägyptischer Präsident werden. Fotouh waren gute Chancen eingeräumt worden, als er im Juni seine Absicht zur Präsidentschaftskandidatur erklärte. Doch die Muslimbrüder schlossen ihn umgehend aus ihrer Partei aus. Ihre Begründung: Sie wollten die Politik Ägyptens nicht dominieren und daher gar keinen Kandidaten aufstellen. Tatsächlicher Grund war wohl, dass die Muslimbrüder wissen, dass, wer immer Ägypten nun regieren wird, nur scheitern kann. Zu desolat ist die wirtschaftliche Situation, zu hoch sind die Erwartungen nach der Revolution und zu polarisiert die öffentliche Meinung zwischen jungen Aktivisten, die sich eine europäische Demokratie wünschen, und Salafisten, die eine Theokratie nach saudischem Vorbild anstreben.
Doch Ende März entschlossen sich die Muslimbrüder, Khairat al-Shater für die Wahl am 23. Mai aufzustellen. Grund war die Weigerung des Militärrats, die Übergangsregierung zu entlassen. Die Muslimbrüder forderten eine Regierung entsprechend den Wahlergebnissen. In Ägypten setzt der Präsident die Regierung ein, und das ist de facto Hussein Tantawi, der Vorsitzende des Obersten Rats der Streitkräfte. Ein weiterer aussichtsreicher Kandidat war der ehemalige Geheimdienstchef Omar Suleiman. Doch Suleiman darf nicht kandidieren. Die Wahlkommission befand, dass er in einer der 27 Provinzen nicht genügend Unterschriften erhielt. Auch Shater ist draußen, weil er vorbestraft ist. Der salafistische Scheich Abu Ismail tritt nicht an, weil seine Mutter einen US-amerikanischen Pass hatte.
Nur zwei aussichtsreiche Kandidaten bleiben übrig: der frühere Präsident der arabischen Liga, Amr Moussa, und Fotouh. Wenn Fotouh nur einen Teil der islamistischen Stimmen gewinnen kann, hat er Chancen. Allerdings dürfte er vielen zu liberal sein. Einst Mitgründer einer islamistischen Terrorzelle, wettert er heute gegen den »intellektuellen Terrorismus« der Muslimbrüder. Seit langem fordert er mehr Demokratie in der Bruderschaft und legte sich dabei mit dem konservativen Shater an. Fotouhs Ausschluss aus der Partei war dessen Initiative. Junge Muslimbrüder stellten sich damals auf Fotouhs Seite und gründeten aus Protest eine eigene Partei. Die jetzige Kandidatenauswahl dürfte neuen Zwist unter den Brüdern stiften.