Goldfieber und Umweltzerstörung in Peru

Goldrausch in der Pampa

Nahezu täglich steigt der Polizeihubschrauber im peruanischen Madre de Dios auf, um die Dschungelregion zu kontrollieren. Nur so sind die kleinen entwaldeten Inseln zu erkennen, auf denen die Goldgräber mit schwerem Gerät unterwegs sind. Mit der Goldsuche soll nun Schluss sein. Die Umweltschäden seien alarmierend, mahnen die Experten aus dem Umweltministerium. Deshalb steht unlizensierter Bergbau seit dem 16. März unter Strafe. Seither müssen sich die Goldsucher anmelden und an Regeln halten. Das sorgt für Unmut.
»Viva el paro minero« (es lebe der Bergbau­streik), steht auf einer der blauen Planen im Bergarbeitercamp am Kilometer 102 der Interoceánica Sur. Die Teerstraße verbindet die brasilianische Stadt Porto Velho mit der peruanischen Küste, an der Strecke liegen Städte wie Puerto Maldonado und Cuzco, aber auch unzählige Camps von mineros, die in Peru legal, aber auch illegal nach Gold schürfen. Am Kilometer 102, rund eine Fahrtstunde von der Provinzhauptstadt Puerto Maldonado entfernt, hat kaum jemand eine Konzession zum Schürfen, die Stimmung unter den Bergarbeitern ist gereizt. Der Ort hat wie viele andere an der gut ausgebauten Landstraße keinen Namen. Es ist eine der Bergbausiedlungen, die seit einigen Jahren in der Amazonasregion Madre de Dios ebenso schnell entstehen, wie sie wieder verschwinden, und für politische Aufregung sorgen. Die Region rund um den Kilometer 100 heißt La Pampa.
»Hier haben die mineros genauso wie im rund 50 Kilometer weiter gen Cuzco gelegenen Huaypete heftig gewütet«, erzählt César Ascorra. Der Direktor der Caritas in Madre de Dios ist regelmäßig in der Region unterwegs, denn der Wohlfahrtsverband beobachtet nicht nur den Raubbau an der Natur, sondern unterstützt auch Bauern und Goldsucher, die sich bemühen, die Umwelt nicht zu schädigen.

Dazu gehören die Goldsucher von La Pampa nicht. Sie sind vielmehr bekannt dafür, dass sie den Regenwald abholzen und anschließend den Untergrund auf der Suche nach den kleinen Nuggets und dem feinen Goldstaub durchspülen. Mehrere 1 000 Hektar Regenwald haben sie auf dieser Weise in wenigen Monaten in eine wüstenähnliche, von Wasserpfützen gesäumte Landschaft verwandelt.
Gedanken darüber macht sich kaum einer der einfachen Arbeiter, die unter prekären Bedingungen in aus Holzlatten und Plastikfolien zusammengezimmerten Behausungen leben und jeden Tag an den Pumpen stehen und die Rohre der Schwimmbagger, der dragas, halten, mit denen das Erdreich gespült wird. Oft wird in Dreiergruppen gearbeitet, doch derzeit langweilen sich die jungen Männer, denn es gibt keine Arbeit. In La Pampa, aber auch in Huaypete stehen die dragas, die Pumpen und die Motorsägen still. »Die Bergarbeiter haben ihre Pumpen gut verpackt in den Flüssen versenkt und die dragas im Dschungel versteckt, um sie vor den Razzien der Polizei zu schützen«, sagt Ascorra, »die fliegen seit mehr als vier Wochen Einsätze und zerstören das schwere Gerät, um den illegalen Bergbau einzudämmen.« Der Biologe begrüßt es, dass die Regierung endlich den informellen Bergbau bekämpft, der in den letzten Jahren in Madre de Dios und anderen Regionen im Norden des Landes sehr stark zugenommen hat. »Es ist ein regelrechter Goldrausch ausgebrochen«, sagt Ascorra, der dafür den Goldpreis verantwortlich macht: »Läge der Weltmarktpreis unter 900 US-Dollar, würde sich der Einsatz von schwerem Gerät, den Pumpen und dragas, nicht rentieren. Das wäre ein Segen für den Regenwald.« Doch der Goldpreis lag Mitte April um die 1 650 US-Dollar pro Unze und so warten die mineros in den Camps an der Interoceánica Sur nur darauf, alsbald wieder loszulegen.

Aber daraus könnte nichts werden, denn die peruanische Regierung meint es offenbar ernst mit der Absicht, dem Bergbau klare Regeln zu verordnen. Seit dem 16. März ist illegaler Bergbau eine Straftat, auf die Gefängnis steht, wie auf der Homepage des Umweltministeriums zu lesen ist, das auch eine Rubrik eingerichtet hat, um über die neue Rechtslage im informellen Bergbau zu informieren. Mineros, Schürfer, aber auch kleine und mittlere Unternehmen, die nach Gold suchen, brauchen künftig nicht nur wie bisher eine Konzession und einen Gewerbeschein, sie müssen sich auch verpflichten, auf Kinderarbeit zu verzichten und die Umweltschutzauflagen zu berücksichtigen.
Bisher haben die mineros ohne jedes Regelwerk nach Gold gesucht und Felder von Bauern durchwühlt, sie sind teilweise in Naturschutzgebiete eingedrungen, wo der Bergbau nicht gestattet ist. Die Gesetzlosigkeit wurde erstmals Ende 2010 vom damaligen Umweltminister Antonio Brack Egg angeprangert, der einige dragas, die unweit des Naturschutzgebietes Tambopata den Flusssand durchsiebten, beschlagnahmen ließ. »Doch dann passierte lange nichts und in dieser Zeit sind die Camps in La Pampa entstanden, wo unter anderem in den Bordellen die Prostitution Minderjähriger an der Tagesordnung ist«, sagt Juan Carlos Navarro Veja, der als Agronom für die Caritas arbeitet. Kakao und verschiedene Früchte aus der Region wie Camu Camu, Aguaje, Lúcuma oder Pitajaya lassen sich gut vermarkten und die Caritas plant, eine kleine Fabrik aufzubauen, um die Lebensbedingungen der Bauern zu verbessern.
In Union Progreso, einem Dorf unweit von La Pampa, kommt das gut an. Ein großes Schild weist darauf hin, dass die Bauern hier nachhaltige Waldwirtschaft betreiben: »Nein zur Zerstörung, nein zur Verschmutzung«, ist darauf in großen Lettern zu lesen. »Das Schild soll die mineros aufhalten«, sagt Erasmo, einer der Dorfsprecher, der einen kleinen Supermarkt an der Straße betreibt. Die rund 40 Bauern, die hier leben, haben ihre Felder einige Kilometer entfernt im Dschungel.
Der Biobauer Santos Cuito hat seine Finca »El Triunfo« genannt. Sie gehört zu den Vorzeigefarmen von Juan Carlos Navarro, der Cuito und dessen Nachbarn bei der Auswahl der Anbauprodukte berät. Copoazu etwa ist eine Frucht, von der die Experten glauben, sie könnte in Lima für die Fruchtsaftherstellung erfolgreich vermarktet werden. »Wir brauchen Alternativen, um das Interesse der Bauer zu wecken, denn für sie ist die Verlockung groß, in die Goldsuche einzusteigen«, sagt Navarro und fügt hinzu: »Für jemanden, der eigenes Land besitzt, lässt sich damit durchaus Geld verdienen.« Zum Glück wissen die Bauern von Unión Progreso die langfristige Perspektive der Landwirtschaft zu schätzen – im Gegensatz zu den mineros in den Camps an der Interoceánica Sur. Sie protestieren nach wie vor gegen die neue Politik der Regierung, aber sie werden immer weniger.
Das hat seine Gründe, denn zum einen sind viele nur bei kleinen und mittleren Unternehmen angestellt, die die Konzession oder zumindest die Geräte besitzen, zum anderen werden sie nur bezahlt, wenn sie arbeiten, so dass viele bereits in Richtung Puno oder Cuzco abgewandert sind. Andere suchen in Puerto Maldonado nach neuen Auftraggebern. Das ist auch der Grund, weshalb ganze Camps in La Pampa wie ausgestorben wirken. »Solange die Polizei nahezu täglich den Helikopter im Einsatz hat, wollen die mineros es nicht riskieren, ihr schweres Gerät aus den Verstecken zu holen«, sagt Ascorra. Zwölf Monate haben die mineros Zeit, sich anzumelden und ihre Arbeit formalisieren zu lassen. Dazu gehört auch, Steuern zu zahlen, was im informellen Bergbau bisher eine Ausnahme war.
Das ist ein weiterer Grund, weshalb die Reformen der Zentralregierung in Madre de Dios alles andere als beliebt sind. Mehr als 10 000 mineros gingen am 15. März in Puerto Maldonado auf die Straße, lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei und protestierten lautstark gegen die Regierungspolitik. Drei Tote und mehr als 50 Verletzte gab es infolge der Demonstration. Die Gewalt hätte verhindert werden müssen, meint Walter Díaz. »Die mineros bangen um ihre Existenz und die Polizei war kaum vorbereitet auf einen solchen Zug durch die Stadt. Unstrittig bleibt, dass der informelle Bergbau mit 60 bis 70 Prozent das Rückgrat der lokalen Ökonomie bildet«, sagt der Mann, der mit US-Dollar handelt und auch hin und wieder Gold verkauft. Sein Geschäft betreibt er im Zentrum von Puerto Maldonado, gleich neben den Läden der Schmuckankäufer. »Natürlich braucht es Regeln, aber so wie die Polizei derzeit vorgeht, bricht die ganze Wirtschaft weg«, kritisiert er. Die meisten Schürfer verkaufen ihre Erträge bei den Ankäufern von Oro Fino oder Metal Perú, die ihre Büros am Markt der Stadt unterhalten. Dort gibt es auch die Eisenwarengeschäfte, in denen mineros Pumpen, Genera­toren, Schläuche und Rohre kaufen können.
Die Goldsuche ist ein lukratives Geschäft, das erst an Bedeutung verlieren wird, wenn der Goldpreis wieder sinkt. Doch danach sieht es derzeit nicht aus und die Verwüstung des Dschungels ist nur ein Teil des Problems. »Noch schlimmer ist, dass viele mineros Quecksilber beutzen, um das Gold vom anderen Gestein zu trennen, aber das tun sie alles andere als fachgerecht«, sagt Ascorra. Die Verschmutzung des Trinkwassers und der Waldflächen sowie die Vergiftung des eigenen Organismus nehmen die mineros oft in Kauf. »Besser hier unter diesen Bedingungen und Gesundheitsrisiken arbeiten, als gar nicht arbeiten«, sagt ein junger Bursche, der in La Pampa das letzte halbe Jahr für einen Unternehmer an der draga gearbeitet hat. Seinen Namen will er nicht nennen, aber er ärgert sich über die Regierung. »Die geht auf die Kleinen los, lässt die Großen aber weitermachen«, schimpft er mit einer abfälligen Handbewegung.
Die »Großen«, das sind internationale Konzerne, die das Gold aus dem Gestein mit Zyaniden waschen wie in Yanacocha, der größten Goldmine Lateinamerikas. Die befindet sich in Cajamarca und ist in Peru seit Monaten in den Nachrichten. Der Konzern will expandieren, aber die Bevölkerung protestiert heftig gegen die Zerstörung der natürlichen Wasserquellen. In den kommenden Wochen soll eine Entscheidung fallen, die Regierung in Lima hat schon einmal Militäreinheiten in die Stadt geschickt. Ein Indiz dafür, dass die Regierung gewillt ist, auch gegen die lokale Bevölkerung die Ausweitung des offenen Tagebaus durchzusetzen. Das wird durchaus kritisiert in Peru, denn die Umweltbilanz der Großen ist alles andere als vorbildlich, wie die Proteste der lokalen Bevölkerung in Cajamarca, aber auch die Studien der lokalen Umweltorganisation Grufides belegen. Klare Vorgaben für die »Großen« wie die Kleinen sind jedoch nötig, kritisieren Experten wie Ascorra und der ehemalige Vize-Umweltminister José de Echave. »Wir brauchen einen Flächennutzungsplan, der festlegt, wo gefördert werden darf und wo nicht«, sagt Ascorra. Denn derzeit sind sogar touristisch attraktive Ortschaften wie Baños de Inca, ein kleiner Ort in der Nähe von Cajamarca, wo früher die Inkas in heißen Quellen badeten, für den Bergbau konzessioniert.
Ob sich mit den neuen Gesetzen in Madre de Dios etwas ändern wird, bleibt abzuwarten, denn zum einen haben die mineros die Übergangsfrist von zwölf Monaten, zum anderen ist in Peru schon so manches Gesetz wieder in der Schublade verschwunden. »Korruption macht vieles möglich«, kommentiert Ascorra.
Zwar haben die Experten, die Staatsanwälte und die Polizisten aus Lima sich in Puerto Maldonado mehr schlecht als recht eingerichtet, aber wie lange sie bleiben werden, weiß niemand. Dass es bald sein wird, darauf spekulieren die mineros in La Pampa. »Wenn sie abziehen, fangen wir wieder an«, heißt es trotzig hinter vorgehaltener Hand.