Nach Lummer im Schlummer

Wer auf einer Party gefragt wird, was er so macht, wird nur ungern zugeben, dass er Diplom-Verwaltungswirt ist. Denn das klingt wie: »Ich bin ein Langweiler ohne Esprit und Phantasie.« Das mag ein Vorurteil sein, das auf der deutschen Unsitte beruht, den Beruf, den ein Mensch ausübt, mit dessen Leben zu verwechseln. »Was willst du mal werden?« wird man hierzulande schon als Kind gefragt. Aber Florian Graf, derzeit noch CDU-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, hat vielleicht schon in jungen Jahren mit leuchtenden Augen »Diplom-Verwaltungswirt« geantwortet. Doch er wollte nicht ein einfacher Wirt bleiben, sondern Dr. rer. pol. werden. Um auf keinen Fall seinen Horizont erweitern zu müssen, wählte Graf das Thema »Der Entwicklungsprozess einer Oppositionspartei nach dem abrupten Ende langjähriger Regierungsverantwortung am Beispiel der CDU«. In Berlin war das abrupte Ende der Regierungsverantwortung der CDU im Jahr 2001 auf die Enthüllung dubioser Finanz- und Immobiliengeschäfte zurückzuführen. Der Tradition der Schummelei scheint Graf treu geblieben zu sein. Bei einer erneuten Prüfung der Arbeit seien »Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität sowie der Plagiatsverdacht« aufgekommen, teilte die Universität Potsdam in der vorigen Woche mit. Graf hingegen behauptet, sich »nach über zwei Jahren für einen Fachartikel wieder mit seiner Arbeit befasst« und dabei urplötzlich »wissenschaftliche Mängel« entdeckt zu haben. Er will den Titel zurückgeben, und bei der Berliner CDU meint man, der Fall sei nun erledigt. »Damit ist für mich die Debatte beendet«, sagte Innensenator Frank Henkel.
Einmal mehr bestätigt sich, dass es eine kluge Entscheidung von Bürgermeister Klaus Wowereit war, das Bündnis mit der CDU einer Koalition mit den Grünen vorzuziehen. Denn Berlin kann nicht regiert werden, vielmehr bedarf die Stadt eines immer gut gelaunten Conférenciers, dessen Charme die Einwohner Armut und S-Bahn-Chaos vergessen lässt. Dabei stören Grantlerinnen wie Renate Künast, die alles besser wissen und schlechte Stimmung verbreiten. Geeigneter sind Diplom-Verwaltungswirte, die keine intellektuellen Ambitionen hegen, nie mit eigenen Ideen überraschen und die Vorarbeit anderer kopieren, wo immer es möglich ist. Bislang hat kaum jemand gemerkt, dass statt der Linkspartei in Berlin die CDU mitregiert. Mit einer gewissen Wehmut gedenkt man allerdings der guten alten Zeit, als CDU-Politiker wie Heinrich Lummer (»Menschenrechte sind Irrglaube«) noch ein gutes Feindbild abgaben. Ein interessantes Thema für eine Doktorarbeit wäre: »Der Aufstieg mediokrer Schlafmützen in der Berliner CDU nach dem erzwungenen Abtreten der geschäftstüchtigen Schreihälse«. Aber die wird wohl kein CDU-Politiker schreiben, zumal es noch keine Vorlage zum Plagiieren gibt.