Bowies Pausen Platte Buch

»Es fing an wie üblich« – von wegen. Schon die erste Szene in Jennifer Egans Roman »Der größere Teil der Welt« macht uns zu Komplizen einer Kleptomanin. Und so geht es weiter, wild und eigenartig. Kaum haben wir mit leichtem Schwindel in den Seelenabgrund der Diebin Sa­sha geschaut, da reißt uns die 1962 in Chicago geborene Autorin auch schon wieder fort, um uns neue Menschen aus anderen Orten und Zeiten zu präsentieren. Atemlos wie ein von einer Spinne gejagtes Insekt hetzen wir durch ein Netz aus polyphonen Geschichten, das zwar locker verknüpft ist, vor allem aber durch seine Löcher imponiert.
Überhaupt, die Löcher! Wirkt das an den Anfang gestellte Motto Prousts zunächst noch wie Schmuckwerk, zeigt die Pulitzer-Preisträgerin schon bald, dass es sich auch in der Ära des Smartphones lohnt, auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu gehen. Was Egan magisch anzieht, sind die Pausen in der Musik David Bowies, bruchstückhafte Erinnerungen an längst verhallte Punkrock-Konzerte und Dates, die man ad acta gelegt hat – bis sie sich dann im eigenen Denken zurückmelden wie ein Computervirus.
Dass unsere Haut nichts als der »süß duftende Überzug« ist, »auf den das Leben die Bilanz unseres Versagens und unserer Erschöpfung schreibt«, hätte man ohne diesen Roman vielleicht niemals begriffen. Ein Buch, das, geheimnisvoll wie eine ans Ohr gelegte Muschel, von Raum, Zeit und Verlust erzählt.

Jennifer Egan: Der größere Teil der Welt. Aus dem Englischen von Heide Zeltmann. Schöffling-Verlag, Frankfurt/Main 2012, 387 Seiten, 22,95 Euro