Ein Erdgasabkommen zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei

Es brodelt im Mittelmeer

Griechenland, Zypern und Israel haben ein Abkommen zur gemeinsamen Ausbeutung neuentdeckter Gasvorkommen im Mittelmeer geschlossen. Das sorgt für Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei.
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Die Festlegung der Seegrenzen zwischen Griechenland und der Türkei ist im Verhältnis beider Staaten eine heikle Angelegenheit. Nicht unbedingt, weil griechische Inseln direkt vor dem türkischen Festland liegen und damit der traditionelle »Feind« für beide Seiten täglich sichtbar ist. Die Gebietsansprüche im Mittelmeer sind aus ökonomischen Gründen Anlass für Konflikte. Lange Zeit verzichtete Griechenland auf eine Verschiebung der eigenen Seegrenzen und damit auf eine eigene 200-Meilen-Zone, in erster Linie, weil man die Türkei nicht provozieren wollte. Doch die finanzielle Situation des Landes sorgt nun dafür, dass der griechischen Regierung kaum eine andere Möglichkeit bleibt, als alle potentiellen Einnahmequellen zu nutzen. Denn ­sowohl vor der griechischen Insel Kreta als auch vor Zypern werden unter dem Meeresboden bedeutende Gasvorkommen vermutet, einige wurden bereits entdeckt. Dadurch könnte die politische Interessenlage im östlichen Mittelmeer sich stark ändern. Denn auch Israel möchte sich an der Ausbeutung der Felder beteiligen.

»In einem Jahr, von jetzt an, wird Griechenland einen komplett anderen Energiemarkt haben«, sagte der bis vor kurzem amtierende griechische Minister für Umwelt und Energie, Giorgos Papakonstantinou, Ende März dieses Jahres auf einer Konferenz. »Griechenland, Zypern und Israel werden die europäische Energielandkarte komplett umgestalten.« Die Ankündigungen des ­Ministers mögen zunächst übertrieben klingen. Denn bislang verfügt das Land nur über sehr geringe Gasvorkommen. Doch das könnte sich ­ändern, glaubt man einer Studie der kretischen Unternehmensberatung Pytheas: Geologische und geochemische Untersuchungen hätten in der Vergangenheit immer wieder deutliche Indizien für bedeutende Gasvorkommen vor der Insel geliefert.
Anfang des Jahres hat die griechische Regierung daher Lizenzen für Probebohrungen vor der Küste Westgriechenlands und Kretas versteigert. Insgesamt acht ausländische Unternehmen haben dabei mitgeboten, darunter das norwegische Unternehmen TGS Nopec Geophysical & PGS, die in Großbritannien ansässige Firma Dolphin Geophysical & Spec Partners, CGGVeritas aus Frankreich, das US-amerikanische Unternehmen ION Geophysical Corporation & Spectrum Geo Ltd. und der deutsche Konzern Fugro Multiclient Services.
Doch nicht nur in der griechischen Ägäis hoffen die Erdgasunternehmen reiche Vorkommen zu finden. Auch vor Zypern sollen erste Bohrungen vorgenommen werden. Bereits Anfang Dezember vergangenen Jahres trat der zyprische Präsident Dimitris Christofias vor die Presse und ließ verlauten, dass das US-Unternehmen Noble Energy in einem Gasfeld vor der Insel Probebohrungen durchführe und dort zwischen 140 und 230 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet würden. Das Feld befindet sich etwa 185 Kilometer vor der Küste Zyperns und liegt in direkter Nachbarschaft zu einem Gasfeld Israels, in dem ebenfalls bedeutende Vorkommen vermutet werden. Inzwischen spricht Noble Energy von Erdgasfunden im Umfang von insgesamt 991 Milliarden Kubikmetern in dieser Region.

Um sich bei dieser Gelegenheit nicht gegenseitig in die Quere zu kommen, haben die griechisch-zyprische und die israelische Regierung in der zyprischen Hauptstadt Nikosia im Dezember ein Abkommen geschlossen, in dem die genauen Seegrenzen der beiden Staaten definiert wurden. Überdies soll auch eine gemeinsam betriebene Öl- und Gasverladestation auf der Insel errichtet werden. Der israelische Energieminister Uzi Landau sagte, dass eine Lieferung des Gases nach Europa die »natürlichste« Wahl sei. Zypern solle zu einem Dreh- und Angelpunkt beim Verkauf des israelischen Gases an die Europäische Union werden.
Für Griechenland könnte diese Entwicklung eine bedeutende Einnahmequelle darstellen. Denn der Export in die EU soll über griechische Häfen stattfinden. Erst kürzlich haben die drei Staaten ein Memorandum unterzeichnet, das die Grundlage schaffen soll, um die unter zyprischem und israelischem Meeresboden lagernden Gasvorkommen gemeinsam auszubeuten und zu exportieren. Landau sagte, dass die Kooperation ein »wichtiger Anker für die Stabilität« in der Region sein werde. Papakonstantinou ging noch einen Schritt weiter. »Wir sprechen nun nicht mehr nur von russischem und aserbaidschanischem Erdgas. In den kommenden Monaten und Jahren werden wir schon über einen dritten Korridor sprechen«, sagte er gegenüber Presse­vertretern.
In Russland könnte eine solche Entwicklung für Probleme sorgen, denn derzeit ist das Land einer der Hauptlieferanten für Erdgas in die EU. Trotzdem scheint sich dort die Regierung noch keine Sorgen zu machen. Zwar versucht das rus­sische Unternehmen Gazprom derzeit, bei dem griechischen Gasversorger DEPA einzusteigen und sich an der Privatisierung des Unternehmens zu beteiligen, größere Anstrengungen sind allerdings offensichtlich nicht geplant. Auch von der russischen Regierung wurde das Projekt bislang nicht kritisiert.

Möglicherweise sieht Gazprom derzeit keine Möglichkeit, sich an dem zyprisch-israelisch-griechischen Projekt zu beteiligen. Unter Umständen hängt die Zurückhaltung jedoch auch mit der Reaktion der Türkei zusammen. Denn kurz nach der Unterzeichnung des Grenzabkommens gab die türkische Regierung den Abschluss eines eigenen »Grenzabkommens« mit dem international nicht als Staat anerkannten und von der Türkei besetzten Nordzypern bekannt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan sagte Anfang vergangenen Jahres: »Binnen einer Woche beginnen die Türkei und Nordzypern mit der Gewinnung von Öl und Gas in der ausschließlichen Wirtschaftszone Nordzyperns.« Weiter warnte er alle internationalen Gas- und Ölunternehmen, sich an der Ausbeutung der Rohstoffe zu beteiligen.
Für die Türkei stellt die Entwicklung dieses Gasprojektes ein beträchtliches Problem dar. Zwar verfügt das Land über eine lange Küste im östlichen Mittelmeer. Weil die Küste von griechischen Inseln gesäumt wird, kann die Regierung nur sehr schwer eine eigene 200-Meilen-Zone für sich in Anspruch nehmen und hat daher keinen eigenen Zugang zu den Gasvorkommen. Auch das in der jüngsten Vergangenheit sehr angespannte Verhältnis zu Israel trägt zur Isola­tion der Türkei in der Region bei.
Für Israel ist die Vereinbarung mit Zypern und Griechenland vorteilhaft. Denn nach dem Ende der Partnerschaft mit der Türkei stand das Land ohne wichtigen Verbündeten in der Region da. Auch für die Europäische Union könnte dieser neue Versorgungsweg für Erdgas von großem Vorteil sein, verspricht er doch eine größere Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Nicht ohne Grund haben sich daher auch die großen Gas- und Ölproduzenten der EU an dem Projekt beteiligt. Ob die Gasfunde ausreichen werden, die wirtschaftlichen Probleme Griechenlands zu lösen, ist aber mehr als fraglich. Denn wenn in der Vergangenheit riesige Gas- und Ölfunde verkündet wurden, erwies sich die tatsächlich förderbare Menge allzu oft als deutlich geringer.