Bart der Nation

Große Fußballereignisse sind immer auch die Zeit, in der Werbetreibende komplett durch­drehen, was ja nun aber auch verständlich ist, denn natürlich ist es nicht so einfach, für Produkte, die nichts, aber auch gar nichts mit der Kickerei zu tun zu haben, Reklamekampagnen mit Bällchen und Fähnchen und dem ganzen Trallala zu entwerfen. In manchen Fällen wird dann zwar auf die Standardlösung zurückgegriffen – leicht bekleidete Frau mit schwarz-rot-goldenen Devotionalien geht ja praktisch immer –, aber wenn man’s wirklich ernst meint, ist das natürlich viel zu wenig.
Dachte sich auch ein Rasierschaumhersteller und beglückte die Nation mit einer Kampagne namens »Dein Bart für Deutschland«. Man brauche jetzt »jeden Mann und jeden Bart«, heißt es auf der dazugehörigen Website, »lass wachsen, so lange unsere Jungs im Spiel sind«. Zu gewinnen gibt es für schlandsolidarische Nichtrasierer natürlich auch was: Sie bekommen allerdings nicht etwa Tickets fürs Endspiel, sondern dürfen an der EM-Final-Party in Hamburg teilnehmen und dort mit Jürgen Klopp, dem prominenten Gesicht der Kampagne, feiern.
Was eine Mannschaft, die sich viele, viele Kilometer entfernt aufhält, daran motivieren soll, dass sich jede Menge Männer zu Hause nun plötzlich nicht mehr rasieren, bleibt jedoch auch nach Durchsicht aller Bart-Tagebücher, des Klopper-Blogs (richtig, da erklärt der bärtige Klopp die Sache mit dem Fußball) und der Werbung für des Rasiererherstellers Produkte unklar. Immerhin: Es gibt eine Gegenkampagne, die den schönen Namen »Organisiert den Vaterlandsverrat« trägt, unter www-kein-bart-für-deutschland.de die »Risiken und Nebenwirkungen des Nationalismus« erklärt und findet: »Gerade in Zeiten, wo praktischer Antinationalismus so einfach wie noch nie ist, kann es daher nur heißen: Kein Bart für die Nation!«