»Dallas« kommt zurück

Es ist das Öl, Stupid!

Intrigen, Sex, Macht und Geld: Die US-amerikanische Achtziger-Jahre-Serie »Dallas« wird weitergeführt. Auch in der Neuauflage geht es um die Verderbtheit der Oberklasse.

Es gehört zum Common Sense des kapitalistischen Alltagsbewusstseins, dass diejenigen, denen ein größerer Teil des Reichtums, der »ungeheuren Warensammlung« (Karl Marx), vergönnt ist, Ungeheuer sein müssen. Weil der gesamte Alltag darauf beruht, aus Geld mehr Geld zu machen, ist das Verhältnis zum Reichtum im strengen Sinne ambivalent. Zwei gegensätzliche Gefühle rumoren im Inneren des Subjekts: die Verlockungen von Luxus und Müßiggang und das Ressentiment gegen ihre Repräsentanten. Und so spiegelt es die Kulturindustrie den Konsumenten zurück: Zahlreiche Fernsehformate widmen sich dem Leben der »Superreichen«. Allerdings gibt es kaum einen Wohlhabenden in Film und Fernsehen, der nicht moralisch verdorben und skrupellos ist – außer, freilich, er ist Philanthrop.
J. R. Ewing ist ein solcher Bösewicht. Als die Serie »Dallas« 1978 startete, gab es nur wenige Darstellungen von Reichtum und Luxus im amerikanischen Fernsehen. Es dominierten das Kleinbürgertum der Mittelklasse, das Arbeitermilieu oder das ländliche Amerika. Nicht nur wegen seines Milieus war »Dallas« für seine Zeit durchaus innovativ. Eine derart ausladende Inszenierung von familiären Intrigen, Sex und Alkoholsucht hatte das amerikanische Massenpublikum bis dahin nicht gesehen. In 14 Staffeln, bis zur Einstellung der Serie 1991, verfolgten Millionen von Menschen das Ränkespiel auf der texanischen Southfork Ranch und den Kampf um die Firma Ewing Oil. »Dallas« war nicht nur die erste Serie, die sich ausnahmslos auf die Oberklasse konzentrierte, sondern vielleicht auch das erste Fernsehformat, bei dem die Gesetze des Kapitals rücksichtslos auf die Produktion durchschlugen. Als Patrick Duffy, der den Bobby Ewing spielte, 1985 die Produktion verließ und die Einschaltquoten daraufhin dramatisch sanken, wurden sein Tod in der Serie und damit die Ereignisse einer ganzen Staffel kurzerhand zum Traum erklärt und Bobby bzw. Patrick Duffy wieder eingegliedert. Weil die Schauspielerin Donna Reed, die Barbara Bel Geddes in der Rolle der Miss Ellie ersetzte, beim Publikum nicht ankam, flog sie nach einer Staffel wieder raus. Bel Geddes kehrte zurück.
Nun hat der Fernsehsender TNT »Dallas« zu neuem Leben erweckt und einige der mittlerweile in die Jahre gekommenen Hauptdarsteller von damals gecastet. Im Zentrum stehen die beiden Söhne der Ewing-Familie, die mehr als 20 Jahre später den innerfamiliären Streit um Macht und Reichtum fortsetzen. Sue Ellens und J. R.s Sohn, Jon Ross (Josh Henderson), soll der moderne Öl-Magnat sein. Nachdem er – wenig einfallsreich – auf ein angeblich milliardenschweres Ölvorkommen auf der Southfork Ranch gestoßen ist, kämpft er mit allen Mitteln um das Land, das der krebskranke Bobby Ewing (Patrick Duffy) verkaufen möchte. Wie sein Vorbild trägt auch Jon Ross einen Stetson – die billigste Metapher für Boshaftigkeit, seit Larry Hagmens stechende Augen unter der Hutkrempe hervorblinzelten. Er trinkt zuviel und hat Probleme mit der Treue. Bobby Ewings Adoptivsohn Christopher (Jesse Metcalfe) hingegen möchte mit alternativen Energien zu Wohlstand kommen und darüber hinaus Gutes tun. Ganz wie der Vater, ist er zielstrebig und gutmütig. Er möchte die Southfork Ranch vor dem Zugriff seines Stiefbruders schützen. Außerdem geht es um Sex und Intrigen, Familienzwist und Habgier. Neben dem gealterten Patrick Duffy als Bobby Ewing und der angestrengt jung gehaltenen Sue Ellen Ewing (Linda Gray) ist auch J. R. Ewing mit dabei, obwohl er sich doch eigentlich am Ende der letzten Staffel erschossen hatte. Zu Beginn der neuen Staffel lebt er schwer depressiv in einem Altenheim. Erst die wiederaufflammende Rivalität mit Bobby Ewing bzw. dessen jüngerem Ziehsohn bringt den alten Mann zurück auf das gewohnte Level an Hinterhältigkeit.
Mehr als 30 Jahre nach der Erstausstrahlung ist »Dallas« genau wie seine Hauptdarsteller sichtlich gealtert. Allzu konstruiert wirken die familiären Intrigen, zu beliebig die vielen Sexszenen. Dennoch entspricht die Botschaft der Serie durchaus dem Zeitgeist. Zumindest in der öffentlichen Meinung haben es die Reichen in Amerika, jenes als »parasitär« verachtete »1 Prozent« der Bevölkerung, derzeit nicht leicht. Hämisch berichtete die New York Times jüngst über das riesige Anwesen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, und immer noch hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass die »99 Prozent« das kommende Subjekt gesellschaftlicher Veränderung sind. Da kommt eine Serie, die die Abneigung gegen jene bedient, denen es besser geht, gerade recht. Dazu passt, dass der südliche Bundesstaat Texas, ein Ort, wo man »die Dinge mit einem Handschlag regelt«, wie J. R. Ewing in der Pilotfolge erklärt, der Schauplatz der Serie ist. Nicht zuletzt wird Texas mit Georg W. Bush assoziiert. Das Klischee der Südstaaten als zurückgebliebenem Hinterland voller korrupter Geschäftsmänner, Rednecks und Hillbillies lebt fort. Bösewichte wie J. R. Ewing waren jedoch schon immer mehr als nur ein abschreckendes Beispiel. Solche Schurken führen nicht nur das moralisch Verwerfliche zur Erbauung des Zuschauers vor, sondern zeigen auch das praktisch Machbare. Denn in unzähligen Erbschafts- oder Nachbarschaftsstreits, am Arbeitsplatz und in sonstigen realen oder imaginierten Konkurrenzsituationen verwandelt sich auch der Durchschnittsbürger in einen kleinen J. R. Ewing.
Zeitgemäß ist »Dallas« auch insofern, als die Serie ein Lieblingsthema der US-Amerikaner aufgreift: das Öl. Die Serie stellt den ölversessenen Jon Ross dem umweltbewussten Christopher Ewing gegenüber und lässt diesen vor den eigenen Plänen zurückschrecken, als sich herausstellt, dass auch alternative Energien ihre Risiken bergen. Wo immer es um die Erschließung von Land und die Nutzung von dessen Ressourcen geht, wird die amerikanische Geschichte verhandelt. Die historische Erfahrung der stetigen Verschiebung der Grenze nach Westen infolge fortschreitender Naturbeherrschung gegen alle Widerstände – sei es die Macht der Natur oder eine autochtone Bevölkerung – wirkt nach. Deswegen ist nicht nur das Zweiparteiensystem dafür verantwortlich, dass die Grüne Partei in Amerika ohne Bedeutung ist und sich mit Ökologie keine Wahlen gewinnen lassen. Die Natur hat in den USA zunächst einmal für den Menschen da zu sein, so der Common Sense. Kaum überraschend ist, dass gut 60 Prozent der Amerikaner die Ölbohrungen vor der heimischen Küste befürworten, nicht zuletzt, weil man sich an das letzte bisschen Wohlstand klammert, das einem noch bleibt. Die Mega-Ranch und das Öl des einen sind das Kleinfamilienhaus und der Geländewagen des anderen.