Besser als Dinslaken

Für die einen ist sie so etwas wie das Melt-Festival für Arme, für andere ist sie einfach die größte Soliparty der Welt. Einig sind sich die meisten aber doch, dass »die Fusion« irgendwie anders und ziemlich einmalig ist. Auf grob geschätzt zwei Dutzend Bühnen passiert etwa eine Woche lang so unglaublich viel, dass es schwer ist, nicht zwischendurch heftig an Reizüberflutung zu leiden. Dass währenddessen Alkohol und diverse Pülverchen wie Milch und Honig fließen, macht es auch nicht besser. Selbst die zwei unwetterbedingten Unterbrechungen in diesem Jahr schienen den meisten vollkommen egal zu sein. Solange noch irgendwo eine Bassdrum dröhnt, wird auch getanzt. Dazu trug der stilbewusste Besucher 2012 bevorzugt Glitzer im Gesicht und ansonsten, weil es viel zu heiß war, nicht besonders viel. Wer Punk lieber mag als Techno, wurde in diesem Jahr mit gleich zwei einmaligen Konzerten der eigentlich schon lange aufgelösten Band Oma Hans belohnt, und zumindest in den ersten paar Reihen war dabei die Feuchte-Augen-Quote auch durchaus auf dem Niveau eines Konzerts von Take That. Ob das nun wirklich der von den Veranstaltern proklamierte »Ferienkommunismus« ist oder einfach nur ein Festival, das weniger schlecht ist als alle anderen seiner Größenordnung, mag jeder für sich selbst entscheiden. Wenn ich jedoch wählen müsste zwischen den 60 000 Menschen auf der Fusion und der Bevölkerung irgendeiner bundesdeutschen Stadt vergleichbarer Größe wie Dinslaken oder Norderstedt, dann würde ich wohl jederzeit das Festival in der nordostdeutschen Pampa nehmen. Allerdings bin ich irgendwie auch echt froh, wieder in der Zivilisation zu sein. Eine Woche Fusion dürfte wohl auch noch den letzten Hippie davon überzeugen, dass bei aller Liebe zur Natur fließend warmes Wasser und richtige Betten mit Bettdecke und allem Drum und Dran eigentlich eine wirklich dufte Sache sind. Ich jedenfalls gehe jetzt erstmal pennen.