Gefolgsleute von Uribe in Kolumbien angeklagt

In schlechter Gesellschaft

In Kolumbien werden immer mehr Gefolgsleute des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez wegen ihrer Verbindung zu Paramilitärs und zum Drogenhandel, wegen Bestechung und anderer Vergehen angeklagt. Gegen Uribe selbst liegt bislang nichts Konkretes vor.

Rund zwei Wochen lang hat er sich geziert. Doch am Dienstag vergangener Woche gab Mauricio Santoyo, der Sicherheitschef des ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez, klein bei. Wahrscheinlich hofft er auf eine geringere Haftstrafe, wenn er mit den US-Behörden kooperiert. In den Büros der Drug Enforcement Agency wurde der General im Ruhestand vorstellig, wenige Stunden später landete er im US-Bundesstaat Virginia in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird dem Mann, der 2005 und 2006 der höchste Sicherheitsberater der Regierung Uribe war, von mindestens zwei illegalen Organisationen Bestechungsgeld entgegengenommen zu haben. Dafür soll er den Drogenschmugglern Informationen über anstehende Militär- und Polizeiaktionen zugespielt haben.

Das sind schwere Vorwürfe gegen Santoyo. Er wird beschuldigt, sowohl mit Paramilitärs als auch mit dem »Büro von Envigado« heimliche Absprachen getroffen zu haben. Bei Letzterem handelt es sich um ein kriminelles Netzwerk, das in den achtziger Jahren zur Hochzeit des Drogenbarons Pablo Escobar entstanden ist und als eine Schaltstelle für Auftragsmorde und Drogenhandel gilt. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Die Anschuldigungen gegen den ehemaligen General, der obendrein auch Schlüsselpositionen mit korrupten Militärangehörigen besetzt haben soll, datieren aus den Jahren 2000 bis 2008. Das legt nahe, dass Santoyo auch als direkter Vertrauter des kolumbianischen Präsidenten sein doppeltes Spiel weiter betrieben hat.
Die große Frage, die sich viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer nun stellen, ist, ob dies mit dem Wissen Uribes geschah. Einige sind sich sicher, dass Uribe der Drahtzieher gewesen ist, auch wenn gegen ihn bisher nichts Konkretes vorliegt. Am ehemaligen Präsidenten, der zuvor Bürgermeister von Medellín und Gouverneur des bedeutenden Departments Antioquia gewesen war, perlten bisher alle Vorwürfe und Verdächtigungen ab. Die Liste der Beschuldigten, die zu Uribes direktem Umfeld gehören, ist ausgesprochen lang, die gefallenen Getreuen wurden für Uribe in den vergangenen Jahren von einer Stütze zu einer Belastung.
Luis Carlos Restrepo, Friedensbeauftragter der Regierung Uribe, wurde im Februar dieses Jahres festgenommen, weil er für gefälschte Demobilisierungen der Paramilitärs die formale Verantwortung trug. Belastende Aussagen kommen vor allem von Salvatore Mancuso, der sich im Moment in den USA aufhält. Der ehemalige Kommandant der Paramilitärs behauptete, alles sei so koordiniert worden, um »den internationalen und nationalen Druck, der auf der Regierung von Präsident Uribe gelastet hat, weil er eben nur Verhandlungen mit den Paramilitärs vorangetrieben hat«, zu reduzieren.

Andrés Felipe Arias, der lange als möglicher Nachfolger Uribes galt, wird Vorteilsnahme im Amt vorgeworfen, was er kategorisch zurückweist. Gleichwohl stützt sich die Anklage auf zahlreiche Akten, die belegen sollen, dass der ehemalige Landwirtschaftsminister Geld aus Förderprogrammen für die Landwirtschaft für den eigenen Wahlkampf verwendet hat. Bernardo Moreno und María del Pilar Hurtado werden für das Abhören von politischen Gegnern, Richtern, unliebsamen Journalisten und anderen Kritikern Uribes verantwortlich gemacht. Moreno war Uribes Privatsekretär, Pilar Hurtado leitete einst den Geheimdienst, wo sich mehr als 100 Dossiers zu bespitzelten Gegnerinnen und Gegnern des Präsidenten fanden. Angeblich wurden sie ohne dessen Wissen oder Billigung erstellt.
Die Liste lässt sich noch erweitern, etwa um den ehemaligen Innenminister Sabas Pretelt, der in einen Korruptionsskandal um die Wiederwahl Uribes verwickelt war, und um eine ganze Reihe von Militärangehörigen, denen ebenso Vergehen vorgeworfen werden. Uribe verteidigt immer wieder seine ehemaligen Vertrauten und behauptet, sie seien Opfer politischer Manöver. Doch die bisher aufgedeckten Strukturen legen nahe, dass er selbst mit von der Partie gewesen ist. Darauf deutet nicht nur die direkte Beteiligung seines Privatsekretärs hin, sondern der verdacht wird auch durch Nachforschungen einiger seiner Kritiker genährt.
Der Menschenrechtler Iván Cepeda, derzeit Parlamentarier des linken Parteienbündnisses Polo Democrático Alternativo, vermutet, dass der ehemalige Präsident der oberste Strippenzieher ist. Cepeda lässt kaum eine Chance aus, um Licht in das Dunkel um den Mann mit der »festen Hand und dem großen Herz«, wie sich Uribe in Wahlkampfzeiten gern bezeichnen ließ, zu bringen. Cepedas Recherchen in Montería, wo Uribe eine große Farm besitzt und auch die Wiege der Paramilitärs liegt, haben in Kolumbien 2009 für viel Aufregung gesorgt. Lückenlose Beweise für Verbindungen Uribes zu den Paramilitärs fehlen jedoch. Das kann sich zwar mit den Aussagen von Paramilitärs, ehemaligen Vertrauten und Bediensteten des früheren Präsidenten ändern, aber selbst in diesem Fall wäre vollkommen unklar, ob die derzeitige Regierung Uribe dann vor Gericht stellt.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierung Santos ein Verfahren wie gegen Fujimori in Peru riskiert«, meint Liliana Uribe, Menschenrechtsanwältin der Corporación Jurídica Libertad aus Medellín und nicht verwandt mit dem ehemaligen Präsidenten. Wegen des Risikos habe die Regierung erst kürzlich eine Justizreform initiiert. Deren offizielles Ziel sei gewesen, der kolumbianischen Bevölkerung den Rechtsweg zu erleichtern, doch gleichzeitig wurden einige Paragraphen durchgewunken, die eine Amnestie für straffällig gewordene Staatsbedienstete vorsahen. »Dagegen gab es Demonstrationen, so dass die Regierung die Justizreform schließlich wieder zurücknahm«, sagt Liliana Uribe. Rund 30 000 Menschen seien Ende Juni in Bogotá auf die Straße gegangen. Für die Anwältin und für kritische Oppositionelle wie Iván Cepeda war das ein großer Erfolg. Für die 67 Politiker, denen enge Beziehungen zu den Paramilitärs nachgewiesen wurden, war es eine schlechte Nachricht. Viele dieser Politiker kommen aus dem Lager des ehemaligen Präsidenten, der sie weiterhin verteidigt. Auch Santoyo wird von Uribe unterstützt, gleichzeitig forderte der ehemalige Präsident den General aber auf, sich der Justiz zu stellen. Zu dieser hat Uribe ein schlechtes Verhältnis. Stets hat er gegen die kolumbianische Justiz gewettert und in verschiedenen Fällen auch Richter beschimpft, zum Beispiel während des Prozesses gegen seinen ehemaligen Geheimdienstchef und Wahlkampfmanager Jorge Noguera. Dieser wurde wegen Verschwörung zur Begehung schwerster Straftaten und Amtsmissbrauchs letztlich zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt.
Das Verhalten Uribes gegenüber der Justiz sei für ein Staatsoberhaupt, ob im Ruhestand oder im Dienst, wenig vorbildlich, kritisiert Liliana Uribe. »Das fördert letztlich die Straflosigkeit in Kolumbien, und die ist unser größtes Problem. Solange wir kein funktionierendes Justizsystem haben, bewegen wir uns in einem Kreislauf der Gewalt.« Doch für die Regierung berge ein funktionierendes Rechtssystem viele Risiken, fügt die Anwältin hinzu. Ein Beleg dafür sind beispielsweise die Bemühungen der Regierung, die Militärgerichtsbarkeit wieder auszubauen.