Neues Aborigine-Gesetz in Australien

Die Ersten werden als Letzte gefragt

In Australien sollen benachteiligte Aborigine-Gemeinden durch ein neues Gesetz stärker gefördert werden. Am bisher verfolgten paternalistischen Ansatz hat sich nichts geändert.

Mit den Stimmen der regierenden Labor-Partei und der liberal-konservativen Opposition hat der australische Senat Ende Juni ein Regierungsprogramm eingeführt, das indigene Siedlungen im australischen Northern Territory zehn Jahre lang besonderen Maßnahmen unterwirft. Zu den positiven Aspekten des Programms »Stronger Futures«, für das umgerechnet 2,7 Milliarden Euro vorgesehen sind, zählt etwa eine bessere Versorgung mit Gesundheitsberatern, Sozialarbeitern, juristischen Betreuern, Polizei und Lehrpersonal. Diese werden jedoch durch eine insgesamt problematische Herangehensweise konterkariert.
»Stronger Futures« folgt auf die »Intervention«, ein Gesetzespaket, das international in die Kritik geraten war, da die Rücksprache mit den Betroffenen mangelhaft war und das australische Antidiskriminierungsgesetz von 2007 in Teilen außer Kraft gesetzt wurde. Das neue Programm verlängert das bestehende um zehn Jahre und weitet staatliche Kontroll- und Einflussmöglichkeiten aus. Das pauschale Verbot von Alkohol und Pornographie in Aborigine-Gemeinden bleibt in Kraft. Die Behörden haben zudem die Möglichkeit, einen Teil der Unterhaltszahlungen einzufrieren, wenn Kinder dem Schulunterricht fernbleiben. Im Rahmen einer als Einkommensverwaltung bezeichneten Maßnahme kann die Verwendung von Sozialhilfe auf den Erwerb von Lebensmitteln ein­geschränkt werden.
Autoritäten der Aborigines riefen anlässlich der Einführung von »Stronger Futures« einen Tag der Trauer aus. »Für diejenigen von uns, die im Nor­thern Territory leben, ist die Pein der letzten fünf Jahre Intervention unerträglich geworden«, meint Dr. Djiniyini Gondarr, der 8 000 Indigene der Gruppe der Yolngu repräsentiert. Lauren King von Amnesty International Australia urteilt: »Das Gesetzespaket widerspricht internationalen Menschenrechtsstandards und setzt die anhaltende Entmachtung von Aborigines im Northern Territory fort.« Die australischen Grünen monierten fehlende Beweise für die Wirksamkeit der Maßnahmen.

Noch immer sind Aborigines, die nach dem jüngstem Zensus 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, die am stärksten benachteiligte Bevölkerungsgruppe des Landes. Ihre Lebenserwartung ist im Durchschnitt geringer, sie sind häufiger von Arbeits- und Obdachlosigkeit betroffen, verfügen über schlechtere Bildungschancen und haben den größten Anteil an Häftlingen. Die soziale Benachteiligung der indigenen Bevölkerung zu beenden, ist erklärtes Ziel der regierenden Labor-Partei – ihre Methoden geraten jedoch immer wieder in die Kritik. Aborigines fordern ein Ende der Diskriminierung und Bevormundung durch staatliche Stellen, Respekt für ihre kulturellen Praktiken und Selbstbestimmung. »Australien muss die anhaltende Dominanz über seine ersten Bewohner beenden und seinen Verpflichtungen gegenüber internationalen Menschenrechtskonventionen nachkommen«, forderte Les Malezer, der Co-Vorsitzende des National Congress of Australia’s First Peoples, vor der Einführung von »Stronger Futures«.

Die Ministerin für indigene Angelegenheiten, Jenny Macklin, hatte es bis zuletzt abgelehnt, die neue Gesetzgebung von einem Komitee auf ihre Vereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards überprüfen zu lassen. »Die Ziele des Gesetzespakets sind mit den Menschenrechten vereinbar, weil sie einige Rechte stärken – und in den Fällen, in denen es Rechte einschränkt, sind diese Einschränkungen begründet, notwendig und angemessen«, ließ sie mitteilen. Ben Schokman vom Human Rights Law Centre widerspricht: »Meines Erachtens ist das Hauptproblem von ›Stronger Futures‹, dass das Programm die paternalistische und bestrafende Herangehensweise gegenüber Aborigines und Torres-Strait-Insulanern fortsetzt.« Im kommenden Jahr will die Labor-Partei ein Referendum über die Anerkennung von Aborigines und Torres-Strait-Insulanern als Australiens erste Bewohner abhalten.