Kritik am geplanten Jahressteuergesetz

Steuerberatung VS

Das geplante Jahressteuergesetz 2013 gestattet dem Verfassungsschutz erhebliche Eingriffe in das Vereinswesen. Nun regt sich Widerstand gegen die neue Waffe des Staates im Kampf gegen »Extremismus«.

Ein Verein, der in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch aufgeführt wird, soll künftig ohne weitere Prüfung die Gemeinnützigkeit verlieren. So ist es in einem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vorgesehen (Jungle World 22/2012). Gegen das Vorhaben regt sich seit kurzem Widerstand. In einem offenen Brief forderten Attac Deutschland, Robin Wood und andere NGOs anlässlich der ersten Lesung im Bundestag Ende Juni die Abgeordneten auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Bisher haben etwa 60 Organisationen, darunter Greenpeace, Medico International, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Pro Asyl, Lobby Control und das Komitee für Grundrechte und Demokratie, den offenen Brief unterschrieben.

Die Unterzeichner befürchten, der Verlust der Gemeinnützigkeit könnte für viele Vereine das Ende bedeuten. Denn zum einen wären die betroffenen Organisationen nicht mehr von der Körperschaftssteuer befreit, weshalb unter Umständen hohe Steuernachforderungen fällig würden. Zum anderen könnten Spenden an diese Vereine nicht mehr steuerlich abgesetzt werden. So stünde dem Verfassungsschutz ein sehr wirksames Mittel zur Verfügung, unliebsame Vereine in den finanziellen Ruin zu treiben. »Der Verfassungsschutz wäre damit Kläger und Richter zugleich, das widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien«, sagt Daniel Häfner von Robin Wood.
»Es ist absurd, dass eine Behörde, deren Glaubwürdigkeit nicht zuletzt durch die NSU-Affäre derart auf dem Spiel steht, dass über ihre Abschaffung öffentlich breit diskutiert wird, plötzlich mehr Macht bekommen soll«, sagt Sebastian Kirschner, der Geschäftsführer des Conne Island in Leipzig, das zu den Unterzeichnern des offenen Briefes zählt. Zu dem selbstverwalteten Jugendkulturzentrum gehört der Trägerverein »Projekt Verein e. V.«. Organisationen wären nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit nicht nur durch den Wegfall von steuerbegünstigten Spenden gefährdet, sondern Kirschner zufolge auch von der öffent­lichen Förderung ausgeschlossen, denn für diese ist die Gemeinnützigkeit eine Grundvoraussetzung.
Im Bericht des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz für das Jahr 2011 steht: »Zentrale Anlaufstelle der Autonomen war wie auch in den Vorjahren das ›Conne Island‹ im Stadtteil Connewitz.« Wiederholt wurde das Conne Island neben dem Wohnprojekt »B 12« und anderen kulturellen Zentren in Berichten des sächsischen Verfassungsschutzes genannt. Von diesen geheimdienstlichen Erkenntnissen hat sich bisher kein Geldgeber abschrecken lassen. Die Institution wird seit Jahren von der Stadt, dem Land, dem Bund sowie der EU gefördert und wurde 2010 sogar als »Ort der Vielfalt« ausgezeichnet.
Das Conne Island hatte schon früher Ärger mit dem Verfassungsschutz. In einem Dossier über das Kulturzentrum, das der sächsische Geheimdienst 2003 der Stadt Leipzig zuschickte, bat er darum, die »Erkenntnisse bei der Prüfung von Fördermittelanträgen bzw. von Verwendungsnachweisen zu berücksichtigen«. In dem Dokument hieß es unter anderem, dass Gruppen, die sich im Conne Island getroffen hätten, zu einer Demonstration gegen das »bundesdeutsche Schweinesystem« aufgerufen hätten. Diese und andere Gruppen seien durch erhöhte Eintrittsgelder bei Veranstaltungen unterstützt worden, die sogenannte Antifa-Mark. Das zuständige Finanzamt reagierte mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit, revidierte jedoch zwei Wochen später diese Entscheidung.

Die Beratung anderer Behörden gehört zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes. Es ist bisher üblich, dass sich Finanzämter nach eigenem Ermessen an die Empfehlungen des Geheimdienstes halten oder eben nicht. Eine gesetzliche Grundlage für den Entzug der Gemeinnützigkeit aus politischen Gründen gibt es erst seit 2009. Das Finanzministerium führte unter Peer Steinbrück (SPD) eine Abgabenordnung ein, wonach das Urteil des Verfassungsschutzes in die Entscheidung der Finanzämter über die Gemeinnützigkeit einfließen sollte. Im vorgesehenen Jahressteuergesetz wird dies entscheidend verschärft, indem das Wort »widerlegbar« gestrichen wird. Den Vorteil erörterte das Bundesfamilienministerium dem Tagesspiegel: Eine Überprüfung, ob eine Organisation womöglich doch als gemeinnützig gelten könne, müsse »nicht mehr durchgeführt werden«. Die neue Regelung entzieht den Finanzämtern und Finanzgerichten in dieser Frage einfach die Entscheidungshoheit.
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Finanzämter die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wieder zurücknahmen, wenn etwa eine Organisation nachweisen konnte, dass sie trotz der Nennung im Verfassungsschutzbericht gemeinnützig war. Der Taz zufolge hielten Finanzgerichte die Vorwürfe und Beweise des Verfassungsschutzes in manchen Fällen sogar für zu vage. Doch nach Angaben des Tagesspiegel hält das Familienministerium nun die Finanzgerichte in dieser Frage für überfordert und ist der Ansicht, die Verfassungsschutzämter kümmerten sich ausreichend um die Sammlung entsprechender Beweise. Jutta Sundermann von Attac kritisiert hingegen, dass es für die Nennung im Verfassungsschutzbericht keine »konsistenten Kriterien« gebe, dass die Behörde ihre Quellen nicht offenlegen müsse und dass sie keinerlei demokratischer Kontrolle unterliege.
Tritt das Jahressteuergesetz in seiner jetzigen Form in Kraft, dürfen in Zukunft nur noch die Verwaltungsgerichte darüber entscheiden, ob die Nennung im Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt ist. Doch solche Urteile kümmern die Geheimdienste offenbar wenig. Das Verwaltungsgericht München entschied 2010, dass die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (Aida) nicht als »linksextremistisch« bezeichnet werden durfte, wie es im bayerischen Verfassungsschutzbericht 2008 geschehen war. Die Gemeinnützigkeit erhielt der Verein nach diesem Urteil jedoch nicht zurück, weil der bayerische Verfassungsschutz Aida bislang jedes Jahr aufs Neue in seinen Bericht aufnahm und das Finanzamt jedes Mal die gerichtliche Entscheidung abwartete, die der Verein wiederum immer erst einklagen musste. Dies sei der Versuch des bayerischen »Innenministeriums und seiner untergeordneten Behörden, in obrigkeitsstaatlicher Manier die Deutungshoheit und -macht darüber zu beanspruchen, was extrem rechts ist und wer sich mit wem wie dagegen engagieren darf«, hieß es in einer Presseerklärung des Vereins anlässlich der Nennung im Jahresbericht 2011.

Daniel Häfner von Robin Wood geht davon aus, dass während der parlamentarischen Sommerpause weitere Organisationen, vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen gegen rechts, ihre Unterstützung für den offenen Brief und das darin formulierte Anliegen bekunden. Zudem hofft er, dass sich die Oppositionsparteien deutlicher gegen das Jahressteuergesetz aussprechen. Denn selbst bei FDP-Mitgliedern stößt es bisweilen auf Ablehnung. So sagte Daniel Volk, FDP-Obmann im Finanzausschuss des Bundestages, der Nachrichtenagentur DAPD: »Die alte Regelung hat sich bewährt. Es gibt im Moment keinen Handlungsbedarf.« Im September geht das Steuergesetz im Bundestag in die zweite Lesung.