Bis zum Untergang im Untergrund

Die autonome Republik Tatarstan in Russland galt lange als Zentrum des gemäßigten Islam, inzwischen gibt es dort auch islamistische Gruppen. Einer sehr eigenwilligen Interpretation des Islamismus folgte die nach ihrem Anführer Faisrachman Satarow benannte Sekte der »Faisrachmanisten«. Der 83jährige begann seine Karriere als KPdSU-geprüfter Geistlicher, er wurde nach dem Studium Imam und Mufti. In den achtziger Jahren erklärte er sich zum Propheten, scharte zunächst jedoch nur wenige Anhänger um sich. Doch im Jahr 2001 brachte Satarow 65 Muslime dazu, mit ihm buchstäblich in den Untergrund zu gehen. Die Gruppe lebte bis zu ihrer Entdeckung durch die Behörden vergangene Woche auf ihrem 1996 erworbenen Gelände in einem »islamischen Staat«. Dieser bestand aus einer Moschee und unterirdischen Räumen, die sich sieben Stockwerke tief unter die Erde erstreckten. Die Sektenmitglieder lebten in fünf Quadratmeter großen Zellen. Sie durften das Gelände nicht verlassen, allerdings durfte es auch niemand von außerhalb betreten. Heizung oder Belüftung gab es mangels Strom nicht. Von den 25 Kindern der Gruppe, im Alter zwischen 18 Monaten und 17 Jahren, wurden ei­nige unterirdisch geboren. Ärztliche Betreuung erhielten sie nicht, auch vom regulären Schulunterricht hielt Satarow nichts, dieser sei »weltliches Teufelszeug«. Stattdessen gab es Koranunterricht bei Kerzenschein, selbstverständlich durch den »Propheten« persönlich, schließlich spricht Allah seit 1964 in seinen Träumen zu ihm.
Aufgeflogen ist das Ganze durch Zufall: Ein Spezialkommando der Polizei hatte das Gelände auf der Suche nach den Tätern eines Anschlags auf einen Mufti durchsucht. Die Kinder wurden in Kliniken und Waisenhäuser gebracht, die Polizei berichtet von Anzeichen für sexuellen Missbrauch. Verfahren gegen die Eltern und den Sektenführer wurden eingeleitet, Festnahmen gab es aber keine. Das illegal errichtete Haus Satarows soll abgerissen werden, doch die Sektenmitglieder leisten Widerstand. »Wir kämpfen mit dem Koran. Wenn sie uns angreifen, verfluchen wir sie«, drohte ein Faisrachmanist. Angeblich gingen die Sektenmitglieder keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie bevorzugten es, sich auf den Weltuntergang vorzubereiten. Als wahren Grund für das Abtauchen vermutet die Zeitung Komsomolskaja Prawda allerdings die hohe Verschuldung der Gemeinde.