»Die Lifetime Prevalence steigt«

Der langjährige Konsum von Cannabis kann die geistigen Fähigkeiten mindern. Zu diesem Ergebnis kommt eine amerikanische Langzeitstudie, die kürzlich im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences vorgestellt wurde. Vor allem bei Personen, die schon im Jugendalter mit dem Kiffen beginnen, sinkt der Untersuchung zufolge der Intelligenzquotient. Georg Wurth, der Sprecher des Deutschen Hanfverbands, hat mit der Jungle World über die Studie gesprochen.

»Kiffen macht dumm« – so lautet angesichts der Studie eine ­beliebte Schlagzeile in der Presse. Hören Sie diesen Satz häufiger?
Der Satz geistert immer wieder durch die Medien. Sie übertreiben ja gern, um möglichst dramatische Aussagen zu erhalten. Wenn man die Studie liest, ist alles nicht mehr ganz so dramatisch.
Weshalb?
Da wurde eine relativ kleine Beeinträchtigung gemessen, um die die Medien ein großes Bohei machen. Selbstverständlich ist an den Ergebnissen etwas dran. Wenn Leute sehr früh anfangen, Drogen zu konsumieren, können eher Probleme entstehen, wie etwa eine zu starke Gewöhnung oder kognitive Beeinträchtigungen. Wer mit 14 Jahren anfängt, täglich zu kiffen, dessen Gehirnentwicklung wird beeinträchtigt. Das wissen wir aus der Forschung schon länger. Wir sind deshalb auch der Meinung, dass die Leute nicht so früh mit dem Konsum von Cannabis beginnen sollten.
Denken Sie, die Ergebnisse der Studie werden von den Gegnern der Legalisierung von Cannabis instrumentalisiert?
Ich habe die ersten Meldungen schon gesehen, aber noch nicht durchgelesen. Die Gegner der Legalisierung stürzen sich auf solche Studien, um wieder einmal sagen zu können: Seht her, alles ganz schlimm und gefährlich, auf keinen Fall legalisieren! Das greift aber zu kurz. Alkohol hat viele krassere Auswirkungen. Es gibt keine medizinische Begründung dafür, dass Cannabis verboten ist, Alkohol aber nicht. Auch diese Studie liefert keine.
Einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zufolge kiffen heutzutage weniger deutsche Jugendliche als vor zehn Jahren. Wie erklären Sie sich das?
Auch der Drogenkonsum verläuft in Trends. Der Heroinkonsum hat ebenfalls nachgelassen und ist nicht mehr hip. Aber ich halte es ohnehin für eine gute Nachricht, dass weniger Jugendliche Cannabis konsumieren. Insgesamt steigt aber die Lifetime Prevalence. Wenn man fragt, wie viele Deutsche in ihrem Leben jemals Cannabis konsumiert haben, nimmt die Zahl mit der Zeit immer weiter zu.