Haben Comiczeichner getroffen

Arm, aber kreativ

Unter einer Schaffenskrise leiden die griechischen Comiczeichner nicht. Aber die Wirtschaftskrise bekommen auch sie zu spüren.

Um uns mit Lefteris Stavrianos, dem Betreiber des Comicverlags Jemma Press sowie zweier Comicläden, zu treffen, fahren wir in die Hafenstadt Piräus, die heute ein Vorort Athens ist. Bei Jemma Press erschien im Mai auch der Comic »Willie the Zombie« des Berliner Comiczeichners Andy Leuenberger, durch den der Kontakt zustande kam. Freundlich begrüßt uns Lefteris, und nachdem wir uns ein wenig in seinem gutsortierten Laden umgeschaut haben, gehen wir gemeinsam in der nahegelegenen Marina Kaffee trinken.
Seit 2003 veröffentlicht Lefteris Stavrianos sorgfältig ausgewählte griechische und ausländische Comics. Die Bandbreite des Verlagsprogramms von Jemma Press, das US-Mainstream-Titel ebenso wie griechische Funnies umfasst, ist wesentlich größer als das anderer europäischer Indie-Verlage, aber auch gut an den griechischen Markt angepasst. Dennoch wird auch hier die Wirtschaftskrise spürbar. »Jede Woche kommen Kunden in meinen Laden, die ihre Abos, die ein wichtiges Standbein jedes Comicladens sind, kündigen müssen. Sie können es sich einfach nicht mehr leisten. Und im vorigen Jahr musste ich einen langjährigen Mitarbeiter entlassen, das war sehr schwer für mich«, erzählt er. Anderen Geschäften in der Umgebung geht es ähnlich. Das Viertel in Piräus gehörte, als er 1997 den ersten Laden eröffnete, zu den schicksten in ganz Athen. Zwar befinden sich auch jetzt noch einige Boutiquen dort, doch viele Geschäfte stehen bereits leer und das Straßenbild zeugt von Vernachlässigung.
Während unseres Gesprächs werden wir plötzlich von einer alten, verwirrt aussehenden Frau unterbrochen. Weinend berichtet sie, überfallen worden zu sein, und nun seien ihre Geldbörse und ihr Handy weg. Sie müsse dringend ihren Sohn anrufen. Lefteris bietet ihr freundlich sein Handy an, doch sie hat weder die Telefonnummer noch den Namen ihres Sohnes parat. Weinend zieht sie weiter und sagt dabei: »Die Leute von Chrysi Avgi werden’s schon richten, sie werden mir helfen!«
Lefteris fährt uns im Auto zurück nach Athen und wir verabreden uns mit ihm, seiner Frau Litsa und ihren beiden Kindern für den kommenden Tag zu einem Besuch des Flohmarkts in Monastiraki, wo wir Platten kaufen und anschließend gemeinsam essen gehen. Leider, so erfahren wir, gehören solche Aktivitäten nicht mehr zur Tagesordnung der Familie, auch sie muss sich immer stärker einschränken. Umso bewusster genossen wir alle den gemeinsam Nachmittag.
Einige Tage später treffen wir in Exarchia den Comiczeichner und Cartoonisten Spiros Derveniotis, einen gebildeten, scharfsinnigen und sehr lustigen Mann. Spiros war ein Zeichner der ersten Stunde für die Comicbeilage »Nine« der Athener Zeitung Elefterotypia. Nun erscheinen seine Cartoons und Comics täglich in der linksliberalen Tageszeitung Ellada Avrio. Insgesamt veröffentlichte er bisher 14 Comicalben. Eigentlich wollten wir ihn nur um einige politische Cartoons bitten, als aber er von unserer Interview-Comic-Jam-Idee hört, hat er sofort Lust mitzumachen.
Zu einem persönlichen Treffen mit dem Zeichnern Tomek Giovanis kommt es leider nicht, da Tomek in Skíathos auf der Insel Magnisia lebt. Tasmar (aka Tasos Maragkos) konnten wir bereits vor unserer Abreise nach Athen treffen, da er kürzlich nach Berlin gezogen ist. Unsere diesjährige Comic-Kooperation findet somit per E-Mail statt. Die Heftserien »Koulouri« von Tomek und »Krak Komiks« und »Hard Rock« von Tasos erscheinen bei Jemma Press. Und vielleicht ja auch bald in Deutschland!