Der Untersuchungsausschuss zu Gorleben

Immer perfekter!

Im Untersuchungsausschuss zu Gorleben lernt man viel über die Komplexität des Perfektionsstrebens der Politik.

1977 beschloss die Bundesregierung Erkundigungen, ob der Salzstock im niedersächsischen Gorleben als Endlager für radioaktive Abfälle tauge. Drei Jahre später begannen Vorarbeiten für Erkundigungen, die nach weiteren drei Jahren anfingen. Als Laie macht man sich ja ganz falsche Vorstellungen von so einem Salzstock. Und von Erkundigungen. 1995 kam Angela Merkels Bundesumweltministerium anlässlich eines Gutachtens der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) über Alternativstandorte zu dem Schluss, dass man die nicht brauche – eine Erkenntnis, die sich auf »die konkreten 17jährigen Untersuchungen über die Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben« stützte. Als Laie macht man sich womöglich auch falsche Vorstellungen von der, äh, Eignungshöffigkeit.
Da fragen wir mal die Experten des freundlichen Informationskreises Kernenergie: Unter Eignungshöffigkeit »versteht man die berechtigte Hoffnung, dass der Standort für die Aufnahme ­eines Endlagers geeignet sein wird«. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Weitere fünf Jahre später allerdings muss sie ins Zwischenlager, denn nach 23 Jahren intensiver Erkundigungen war die Eignungshöffigkeit im Jahr 2000 in eine Krise geraten. Es folgte ein zehnjähriges Erkundigungsmoratorium, während dem Erkundigungen darüber eingeholt wurden, wie es mit den Erkundigungen weitergeht. Mal in Ruhe nachdenken, das ist immer gut. Auch wenn die Erhaltung der Erkundigungsfähigkeit der Eignungshöffigkeit während des Erkundigungsmoratoriums 220 Millionen kostet. Danach brach hektische Betriebsamkeit aus. 2011 wurde beschlossen, Erkundigungen über Alternativstandorte einzuziehen und die in Gorleben fortzusetzen. Sage niemand, die Politik sei nicht handlungsfähig. Auch zur Vergangenheit wurden nun Erkundigungen eingezogen, mit einem Erkundigungs-, Quatsch: Untersuchungsausschuss. Während dessen Arbeit keimte ein unglaublicher Verdacht: Wäre es ganz eventuell möglich, dass die Erkundigungen gar nicht immer nur und ausschließlich nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt, sondern dass ganz eventuell auch die Interessen der Atomindustrie berücksichtigt worden sind? Dass die Eignungshöffigkeit von Gorleben also gar daran orientiert war, dass die Betreiber möglichst wenig zahlen wollten? Oder, wie die Opposition nun mit Schnappatmung formuliert: Ist es denkbar, dass die Atomlobby die Entscheidungen der Regierung beeinflusst haben könnte? Man kann sich das ja gar nicht vorstellen.
Und auch das noch: In dem Gutachten des BGR wurde gar nicht mit Gorleben verglichen. Da hatte Merkel 1995 wohl nicht ganz die Wahrheit gesprochen. Ein Schock! Zum Glück hat die Kanzlerin eine gute Erklärung dafür parat: »Damals war ich noch nicht so perfekt wie heute.« Was die Erkenntnis bringt: Angela Merkels Perfektion verhält sich umgekehrt proportional zur Strahlung der Abfälle. Die eine hat eine Halbwertszeit, in der sie sich halbiert, die andere reift in der gleichen Frist zu immer größerer Vollkommenheit. Nach ihrer Wiederwahl wird Merkel also noch perfekter werden! Und was Gorleben angeht: Nur keine Eile! Der radioaktive Müll läuft nicht weg. Da haben wir noch ein paar hunderttausend Jahre Zeit, Erkundigungen über Eignungshöffigkeiten einzuholen. Der Perfektion kann das nur gut tun.