Wenn Milliardäre träumen

Seine Moskauer Doktorväter nannten ihn einfach »Boris«, ein Allerweltsname für einen georgischen Bauernsohn aus dem Dorf Chorwila. Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb Bidsina Iwanischwili noch lange Zeit Boris, doch er wurde mit der Privatisierung reich. Er kehrte nach Georgien zurück, wurde Sponsor und nahm wieder den Vornamen Bidsina an, als er sich im vergangenen Jahr entschloss, für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren. Im Gespräch mit Spiegel Online bezeichnet er sich als »letzter freier Mann Georgiens«. Präsident Michail Saakaschwili wird eine autoritäre Innenpolitik vorgeworfen, die Wahlniederlage seiner »Vereinigten Nationalbewegung« akzeptierte er jedoch, obwohl dem Ministerpräsidenten mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung in einem Jahr Befugnisse des Präsidenten übertragen werden.
Mit Iwanischwili übernimmt der reichste Georgier die Regierungsführung, sein Vermögen wird vom Wirtschaftsmagazin Forbes auf 6,4 Milliarden Dollar geschätzt. Nun aber muss sein Parteienbündnis »Georgischer Traum« es schaffen, ein konsensfähiges Regierungsprogramm zu erstellen. Die erst im vergangenen Jahr von Iwanisch­wili initiierte Koalition besteht aus vielen kleinen Parteien, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Die viertstärkste Kraft zum Beispiel ist das »Nationale Forum«, ein Zusammenschluss von Nationalisten, der unter anderem auf Gruppen wie die »Frauenpartei« treffen wird. Bislang vereinigt vor allem die Gefolgschaft zu Iwanisch­wili die Koalition, dennoch strahlt der zukünftige Ministerpräsident dieser Tage zuversichtlich in die Kameras. Seine Wahlversprechen: ein besseres Gerichtssystem, mehr soziale Gerechtigkeit, eine kostenlose Krankenversicherung und höhere Renten. Außerdem spricht er sich für einen Beitritt Georgiens zur Nato aus und möchte gleichzeitig die Beziehungen zu Russland verbessern. Es ist für jeden etwas dabei, wenn Iwanischwili träumt. Doch könnte es für den Oligarchen noch ein böses Erwachen geben, denn eine Chance bleibt Saakaschwili möglicherweise, um den Konkurrenten zu entmachten. Iwanischwili ist kein georgischer Staatsbürger. Die Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen, nach offiziellen Angaben, weil er sich in Frankreich einbürgern ließ. Der derzeitigen Rechtsprechung zufolge darf er dennoch amtieren. Sollte sich das ändern, kann der als exzentrisch geltende Iwanischwili sich auf seinem Landsitz wieder der Pinguinzucht widmen.