Homophobe Politik in Uganda

Vor Gericht statt auf der Bühne

Mit dem Verbot eines Theaterstücks und einem Prozess gegen den Regisseur führt die ugandische Regierung ihre homophobe Politik fort.

Mit einer kleinen Theaterproduktion in wenigen Tagen international bekannt zu werden, gelingt nicht jedem. Der Brite David Cecil schaffte es. Er hatte das Stück »The River and the Mountain« im Tilapia Culture Center, einem kleinen Theater in der ugandischen Hauptstadt Kampala, inszeniert. Sechs Aufführungen vom 17. bis zum 23. August genügten, um ihn ins Gefängnis zu bringen und eine internationale Solidaritätskampagne für seine Freilassung auszulösen. Cecil drohen zwei Jahre Haft, in dieser Woche soll ein Gericht über seinen Fall entscheiden.
»The River and the Mountain« handelt von einem Geschäftsmann, der sich zu seiner Homosexualität bekennt. Am Ende wird er deswegen von seinen Angestellten gelyncht. Die »schwierige Interaktion von Religion, Politik und Sexualität« hätten sie thematisieren wollen, sagen Cecils künstlerische Mitarbeiter. Eine »implizite Werbung für homosexuelle Akte«, die »mit den Gesetzen, kulturellen Normen und Werten Ugandas unvereinbar« sei, sah der staatliche Medienrat in der Produktion. Gleichgeschlechtlicher Sex kann in Uganda als »schwere Unzucht« mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden. Am Tag vor der Premiere forderte der Medienrat Cecil auf, die Aufführung abzusagen. Der ignorierte die Verfügung. Nach einigen Tagen im Gefängnis wurde er zwar auf Kaution freigelassen, er darf Uganda jedoch bis zur Gerichtsverhandlung nicht verlassen. Der ugandische Ethikminister Simon Lokodo, ein freigestellter katholischer Priester, ordnete die Verhaftung aller Schauspieler an, sollten sie das Stück ein weiteres Mal aufführen.
Das Verbot des Theaterstücks ist die jüngste Phase eines seit Jahren andauernden Feldzugs christlicher Fundamentalisten in Uganda gegen alles, was nach Homosexualität aussieht. Erst im Juni hatte Lokodo 38 Nichtregierungsorganisationen wegen der »Förderung und Verbreitung von Homosexualität« verboten. Er sei »nach eingehender Untersuchung« zu dem Schluss gekommen, dass die NGOs mit ausländischem Geld ugandische Kinder zur Homosexualität »rekrutieren« würden, sagte Lokodo.

Er schickte in diesem Jahr zweimal Sondereinheiten der Polizei los, um Konferenzen aufzulösen, bei denen es um die Rechte von Homosexuellen ging. Im Juni ließ er die Teilnehmer eines Workshops des East and Horn of Africa Human Rights Defenders Project in einem Hotel außerhalb Kampalas verhaften. Sie wurden vernommen, später jedoch ohne Anklage freigelassen. Im Februar war es den Teilnehmern eines internationalen Kongresses der Organisation Freedom and Roam Uganda (Faru) in Entebbe ähnlich ergangen. Die Polizei sollte dort vor allem die Faru-Gründerin und Homosexuellen-Aktivistin Kasha Jacqueline Nabagesera verhaften. Die konnte jedoch fliehen. »Ich habe diese Konferenz schließen lassen, weil sie illegal war. Wir akzeptieren keine Homosexualität in Uganda«, sagte Lokodo. Michelle Kagari, Vizedirektorin von Amnesty International für Afrika, nannte die Razzia eine »lächerliche und sinnlose Schikane«. Die anhaltende Verfolgung von LGBT-Aktivisten in Uganda beginne »Züge einer Hexenjagd« anzunehmen.
Die Stadt Nürnberg sieht das ähnlich. Sie entschied Ende September, Nabagesera mit ihrem Internationalen Menschenrechtspreis 2013 auszuzeichnen. Nabagesera »hatte den Mut, sich in Uganda als einer der ersten homosexuellen Menschen öffentlich zu diesem Thema zu äußern«. Zudem habe sie mit zwei anderen LGBT-Aktivisten die Zeitung Rolling Stone aus Kampala verklagt, nachdem diese im Oktober 2010 zum wiederholten Mal Homosexuelle geoutet und dazu aufgerufen hatte, diese aufzuhängen. »Nach der Meldung über die Urteilsverkündung wurde ihr Mitstreiter, der Schwulenaktivist David Kato, Opfer eines Mordanschlags«, schreibt die Jury.

Doch ein Zusammenhang ist nicht erwiesen. Fest steht, dass Kato – der bekannteste LGBT-Aktivist Ugandas und einer der von Rolling Stone geouteten Schwulen – am 26. Januar 2011 in seinem Haus in einem Vorort Kampalas mit einem Hammer erschlagen wurde. Für den Mord wurde der 22jährige Enoch Sydney Nsubuga zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mord hatte weltweit Aufsehen erregt, es gab wenig Zweifel daran, dass Nsubuga von Schwulenhassern engagiert worden war, um Kato zu töten. Das hatte vor allem die Organisation Sexual Minorities Uganda behauptet, bei der Kato aktiv war. Doch für diese Darstellung gibt es keinen Beweis. Seinen Mörder hatte Kato kurz zuvor selbst aus dem Gefängnis geholt – er hatte für Nsubuga Kaution gezahlt und ihn bei sich wohnen lassen.
Im März 2011 schrieb der ugandische EU-Botschafter Stephen Katenta-Apuli in einem Brief an die EU-Kommission, Kato sei nicht »wegen seines Kampfes für die Rechte von Schwulen ermordet worden«. Vielmehr habe es sich bei Nsubuga um einen Prostituierten gehandelt, dessen Dienste Kato in Anspruch genommen habe. Danach sei es zum Streit um die Bezahlung gekommen und Nsubuga habe Kato erschlagen. Die gleiche Schilderung hatte auch der Polizeichef von Kampala, Kale Kayihura, kurz nach Katos Tod abgegeben. Und auch von nichtstaatlicher Seite ist zu hören, dass Kato und Nsubuga ein sexuelles Verhältnis gehabt hätten.
Das wäre in diesem Fall keine Privatsache. Denn die berechtigte Empörung über die Verfolgung von LGBT-Personen in Uganda hat dazu geführt, dass die Ermordung Katos international sehr schnell als politisch motiviert eingestuft wurde. Davon lebt auch die gegenwärtige Begeisterung für den Dokumentarfilm »Call me Kuchu« der beiden US-Filmemacherinnen Katherine Fairfax Wright und Malika Zouhali-Worrall. Die haben Kato in den letzten zwölf Monaten seines Lebens begleitet. Ihr Film porträtiert auch den Kampf der ugandischen LGBT-Szene. »Call me Kuchu« hat auf den Filmfestivals der Saison eine kaum zu überschauende Zahl von Preisen abgeräumt. Das Marketing des Films insinuiert dabei, es handele sich um eine Art Protokoll eines politisch motivierten, angekündigten Mordes.

Gleichwohl entspannt sich die Lage für LGBT in Uganda keineswegs. Noch immer wird über die sogenannte »Kill the Gays«- oder Bahati-Bill debattiert. Der Gesetzentwurf, den David Bahati, ein evangelikaler Abgeordneter der Regierungspartei NRM, im Oktober 2009 eingebracht hat, sieht vor, die Strafen für Homosexualität drastisch zu verschärfen. In »leichten Fällen« soll es lebenslange Haft geben, im Wiederholungsfall die Todesstrafe. »Ich hasse keine Schwulen, aber ich muss unsere Kinder und die traditionelle Familie schützen«, sagte Bahati. Wenn es nach ihm geht, wäre jeder Ugander bei Strafandrohung verpflichtet, ihm bekannte Homosexuelle zu denunzieren. Auf internationalen Druck war Ugandas Präsident Yoweri Museveni, ein Evangelikaler, auf Distanz zu dem Gesetzentwurf gegangen. Seither hat das Parlament die Beratungen immer wieder vertagt. Anfang Februar hatte Bahati seinen Entwurf leicht modifiziert erneut ins Parlament eingebracht. Wann über die neue Fassung abgestimmt wird, ist offen.
Dass der Oppositionsfüher Kizza Besigye, der seit längerem dafür eintritt, Homosexualität straffrei zu stellen, weil alles andere »Ressourcenverschwendung« sei, seit Ende September mehrmals festgenommen wurde, sollte wohl vor allem dessen potentielle Aktivitäten bei den Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit am Dienstag voriger Woche unterbinden. Gänzlich von den Feierlichkeiten verbannt werden konnte die Kritik jedoch nicht. Im panafrikanischen Parlament störte die südafrikanische Abgeordnete Santosh Vinita Kalyan die harmonische Jubiläumsstimmung mit der Bemerkung, die Krimininalisierung der Homosexualität sei »ein Schandfleck« für Uganda.