Caren Lay im Gespräch über Naziangriffe gegen die Linkspartei

»Wir wollen uns nicht einschüchtern lassen«

Caren Lay ist seit Juni stellvertretende Parteivorsitzende der Partei »Die Linke«. Von 2004 bis 2009 war sie Abgeordnete des Sächsischen Landtags. 2009 wurde sie über die Landesliste Sachsen in den Deutschen Bundestag gewählt. Ihre Wahlkreisbüros in Bautzen und Hoyerswerda werden regelmäßig von Nazis angegriffen.
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Am 22. September wurde Ihr Wahlkreisbüro in Hoyerswerda attackiert. Was genau ist vorgefallen?
Das Büro ist in den vergangenen drei Jahren häufig attackiert worden. Dreimal wurden die Fenster eingeschlagen, zweimal gab es Übergriffe, während Menschen im Büro waren. Einmal hatte ich selbst dort gerade eine Beratung, da haben drei offenbar der rechten Szene zugehörige junge Männer versucht, die Tür einzutreten, und uns als linkes Pack beschimpft. Während wir uns drinnen verbarrikadiert haben, haben die rechte Parolen gerufen und den Hitlergruß gezeigt. Ein andermal, als die »Junge Linke« dort eine Veranstaltung machen wollte, haben Nazis das Büro belagert, und wir mussten die Veranstaltung abblasen. Zehnmal hintereinander wurde das Büro mit Hakenkreuzen beschmiert und wurden entsprechende Aufkleber angebracht, und am 22. September wurde das Büro mit einer Flüssigkeit mit dem Inhalt von Leuchtstoffröhren besudelt, so dass man das nicht selber wegmachen konnte. Und jetzt am Montag wurde die Fensterscheibe erneut mit ­einem spitzen Gegenstand beschädigt.
Trifft dieser Terror in Hoyerswerda nur Ihr Büro?
Es gab Ende April auch mehrere Anschläge auf das Büro der Lausitzer Rundschau, die ziemlich kritisch über die Naziszene berichtet und dafür ja zu Recht auch mit dem »Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus« ausgezeichnet wurde.
Seit drei Jahren vergeht kein Monat, in dem in Deutschland nicht Büros der Linkspartei Ziel rechtsextremer Anschläge sind. Wie ist denn die Aufklärungsquote der Polizei?
Allein dieses Jahr waren es bis zum September schon mehr als 27 Angriffe auf linke Büros, 2010 waren es insgesamt 89 und 2011 ähnlich viele. In meinem Fall war es so, dass die Polizei zwei Tage nach dem Überfall erklärte, die Tat sei eine nicht geplante, spontane Handlung ohne politischen Hintergrund. Ein rechtes Motiv würde auch nicht aus dem Hitlergruß, den Parolen und den Neonazi-T-Shirts hervorgehen, denn der Hitlergruß sei nur aus »Frust über die allgemeine Lebenssituation« gezeigt worden.
Sie werden von der Polizei allein gelassen?
Ich kann nicht für alle anderen Städte sprechen, aber für meine Wahlkreisbüros in Bautzen und Hoyerswerda kann ich definitiv sagen, dass ich mich nicht ausreichend unterstützt fühle.
Es sind in Berlin auch Wohnungen von Politikern angegriffen worden und im Haus der »Falken« in Berlin wurde zweimal Feuer gelegt. Das geht ja in Richtung Terrorismus. Müssten da angesichts der Debatte um den NSU nicht bei den Ermittlern die Alarmglocken schrillen?
Ja, da sieht man sehr gut, dass das Behördenversagen im Fall des NSU ein tiefer sitzendes Problem ist. Nach wie vor sind bei der Polizei und dem Verfassungsschutz offenbar viele auf dem rechten Auge blind. Die rechte Szene wird bei weitem nicht mit den Mitteln bekämpft, die nötig wären. Dahinter steht auch eine Verharmlosung der rechten Ideologie. Und da muss man auch sagen, dass viele Vorstellungen der Nazis hinsichtlich Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus auch in der Mitte der Gesellschaft anzutreffen sind. Es wird höchste Zeit, dass sich da etwas tut, und auch, dass die Sicherheitsbehörden aufhören, sich auf die linke Szene zu fokussieren, sondern da ansetzen, von wo derzeit tatsächlich Gewalt und Terror ausgehen.
Die Häufigkeit der Anschläge soll sicherlich der Einschüchterung dienen. Bekommt man nicht tatsächlich Angst? Wie schützen Sie sich, wenn Sie sich auf die Polizei offenbar nicht verlassen können?
Mein Anspruch ist, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Gleichzeitig kann ich nicht leugnen, dass uns recht mulmig wurde, als wir in unserem Büro angegriffen wurden. Da mache ich mir natürlich schon Sorgen um meine Mitarbeiterin. Und ich habe ja ziemlich große, offene Ladenbüros, die die Menschen einladen sollen, hereinzukommen, sich in die Politik einzumischen. Da kommt es vor, dass mir Bürgerinnen und Bürger sagen, sie gehen da lieber nicht rein, weil sie dann quasi im Schaufenster, auf dem Präsentierteller für die Nazis säßen. Damit ist der Sinn eines Wahlkreisbüros natürlich in Frage gestellt. In Bautzen hatte ich, nachdem mir viermal hintereinander die Scheiben eingeschlagen wurden, keine andere Wahl, als eine Videokamera zu installieren. Das lehnen wir zwar prinzipiell ab, aber da die Versicherung nicht mehr zahlt, sahen wir keine andere Möglichkeit.
Wie reagiert Ihre Partei politisch auf diese seit nunmehr drei Jahren andauernden regelmäßigen Naziangriffe?
Da ist es schwer, etwas zu machen. Wir versuchen, Öffentlichkeit herzustellen, aber irgendwann setzt ein Gewöhnungsprozess ein, da berichtet sogar die lokale Presse nicht mehr jedes Mal. Wir sagen: Nicht einschüchtern lassen und Widerstand gegen die Nazis organisieren!
Aber in Ostdeutschland ist die Linkspartei sehr etabliert und in Brandenburg, wo dem Innenministerium zufolge allein in diesem Jahr schon rund 1 000 rechtsextreme Straftaten verübt wurden, regiert Ihre Partei sogar mit.
Man muss an verschiedenen Punkten ansetzen. Einerseits habe ich ja schon gesagt, dass in den Innenbehörden rechte Gewalt und rechtsextreme Strukturen nicht ernst genug genommen werden. Gleichzeitig muss die Aufklärung über Rassismus und Antisemitismus bei der Bildung ansetzen, in der Schule, in der Jugendhilfe. Da setzen wir uns seit Jahren für mehr Fördergelder ein. Dass man sich beim Widerstand gegen Nazis nicht auf den Staat allein verlassen darf, ist aber offensichtlich. Da braucht es vor allem eine Stärkung der Zivilgesellschaft, und dafür treten wir vehement ein.