Die Biographie des Berliner Playboys Rolf Eden

König Ku’damm

Als Sohn einer jüdischen Unternehmerfamilie überlebte er die Nazizeit in Palästina und kehrte in den fünfziger Jahren nach West-Berlin zurück: Rolf Eden schildert sein Leben als Promi-Gastronom und Playboy.

Er habe immer nur Glück gehabt, erzählt der mittlerweile 82jährige Playboy und Unternehmer Rolf Eden gern von sich, und folgerichtig ist »Immer nur Glück gehabt« auch der Titel seiner jetzt erschienenen Biographie. Rasch zeigt sich im Buch jedoch, dass nicht nur Glück seinen Aufstieg zum West-Berliner König der Unterhaltungsgastronomie ermöglicht hat. Wenn man zwischen den Zeilen liest, erkennt man, dass Eden unangenehme Ereignisse gar nicht an sich herankommen lässt und sich stattdessen an gute Momente detailliert erinnern kann. Und so wirkt die Karriere, in deren Verlauf er die großen Stars von Film und Bühne in seinen Diskotheken kennenlernte, wie eine Aneinderreihung glücklicher Momente. Wie viel Neid und Missgunst der erfolgreiche Gastronom bei der Konkurrenz erregte und welche Schwierigkeiten ihm gemacht wurden, wird nur hin und wieder angedeutet. Das größte Glück im Leben Rolf Edens ereignete sich allerdings 1933. Nach Hitlers Machtantritt wanderte Familie Sostheim – Eden heißt eigentlich Rolf Sigmund Sostheim – nach Palästina aus. Der Vater, der in Berlin-Tempelhof eine Containerfabrik hatte, versuchte in Haifa eine neue Karriere aufzubauen und ging bereits drei Jahre später mit seinem Kaffeehaus pleite.
Eden schreibt nicht viel darüber, wie schwierig das Leben im britisch besetzten Palästina für die Familie war, zumal die Eltern nie richtig Hebräisch lernten. Von der Mutter berichtet er, dass sie noch in den siebziger Jahren Gäste des inzwischen von der Familie übernommen Hotels abweisen musste, falls diese kein Deutsch oder Englisch sprachen.
Für den jungen Rolf war in den ersten Jahren vor allem eines sehr unwichtig: die Schule. Viel spannender war es, in der Gadna, einer Jugendorganisation der Untergrundorganisation Haganah, mitzumachen. Eden, der gern Akkordeon spielte und später sein Geld als Musiker verdiente, bekam seinen Instrumentenkoffer eines Tages »mit Dingen, von denen ich nichts wissen durfte«, gefüllt. Am verabredeten Ort abgeliefert wurden die Waffen nicht, an einem Kontrollpunkt der britischen Armee wurde er angehalten und prompt verhaftet. Drei Tage lang saß er in Haft und war sicher nicht glücklich. »Das war schon sehr unangenehm für mich als Kind«, beschreibt Eden den Gefängnisaufenthalt kurz und knapp. Viel mehr Platz räumt er den ersten Sexerlebnissen ein, die er als 14jähriger hatte: Der eigene Vater lud ihn in ein Bordell ein, zuvor hatte er bereits mit einem Zimmermädchen des elterlichen Hotels, mit dem auch Sostheim Senior liiert war, erste Erfahrungen gesammelt. Wie das Verhältnis zu seinem Vater war, erfährt der Leser nicht. »1947 ist mein Vater gestorben – woran genau, weiß ich nicht mehr. Es hat mich auch nie interessiert«, schreibt Eden lapidar. Kurz nach dem Tod des Vaters legte er sich einen neuen Namen zu, er habe »einen Künstlernamen gewollt, einen, mit dem man berühmt werden kann«, erklärt er – aber vor dem Ruhm kam der Krieg. »Wir mussten dieses kleine Land verteidigen«, sagt er über seinen Einsatz im fünften Regiment der Palmach, einer jüdischen Untergrundorganisation, die unter dem Befehl des späteren, 1995 ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin stand. Seinen Militärausweis mit der Nummer 4 597 besitzt er heute noch und muss ihn auch immer bei der Ausreise aus Israel vorzeigen, wie Eden schreibt. Die ungewohnt niedrige Nummer mache die Beamten jedoch regelmäßig misstrauisch, »noch dazu muss man wissen, dass die Nummern erst bei 2 000 angefangen haben, weil die Araber nicht wissen sollten, wieviele wir waren«.
Edens Einheit hatte den Auftrag, Lebensmittelkonvois von Hulda ins belagerte Jerusalem zu bringen – »ein Selbstmordkommando«, denn die einzige Straße wurde von arabischen Scharfschützen kontrolliert. »Wir luden die toten Kameraden von den Lastwagen (…). Es waren sehr viele«, beschreibt er einen Angriff.
Zu diesem Zeitpunkt war seine Freundin Dori bereits schwanger – die Tochter ist heute 62 und lebt in Israel. Im Land bleiben wollte er jedoch nicht, er ging zunächst nach Paris und kehrte 1956 nach West-Berlin zurück, um dort reich und berühmt zu werden. Dass jedem im Ausland lebenden ehemaligen Berliner bei seiner Rückkehr nach Berlin 6 000 Mark ausgezahlt wurden, war übrigens der ausschlaggebende Grund für seine Rückkkehr, wie Eden freimütig erklärt.
Nun ist längst nicht jeder, der heute als Celebrity gefeiert wird, auch wirklich schon so lange berühmt, wie es die Schlagzeilen suggerieren. Ein verlässlicher Bekanntheitsindikator ist das Spiegel-Archiv. Hier taucht eine von Eden geführte Kneipe zum ersten Mal im Oktober 1966 auf, als »Berlin, die unheimliche Hauptstadt«, das Titelthema des Nachrichtenmagazins war. Im Artikel ging es nicht nur darum, dass »in etlichen Künstlerbuden und Wannsee-Villen (…) das Schlucken von LSD-Pillen, die wüste Phantasien erregen und ›blaue Götter‹ genannt werden, neuerdings sehr in Mode gekommen« ist, sondern auch um die Diskrepanz zwischen dem Image als Partymetropole und dem realen Leben in der Stadt, die fünf Jahre nach dem Bau der Mauer viele Einwohner verloren hatte und mit einem Seniorenanteil von 20 Prozent zu überaltern drohte.
»Hier sind die Röcke so kurz und die Diskotheken so heiß wie in London, die Hochhäuser so glatt wie in Düsseldorf, die Jungakademiker so aufsässig wie in Berkeley, Kalifornien – aber die Selbstmordquoten doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik (und um ein Fünftel höher als in Ulbrichts Ost-Berlin)«, berichtet der nach damaliger Spiegel-Tradition namentlich nicht genannte Autor – und erwähnt als Beleg für die gleichzeitige Attraktivität der Stadt auch den Club »Eden Playboy«.
Drei Jahre später wird über »das Berliner Nachtlokal« in der Rubrik Personalien geschrieben, denn »Claudia Hoffmann, 24, gelernte Krankenschwester, wechselt als einziger Disc-Jockey Deutschlands barbusig die Schallplatten«. Der »Vergnügungs-Unternehmer Rolf Eden« habe die Schülerin »in einem Berliner Nachtlokal« gefragt, ob sie für 2 000 Mark monatlich »topless das Platten-Pult bedienen wolle«, heißt es in dem schmierigen kleinen Text weiter. »Außer körperlichen Vorzügen (»Oberweite: 95 cm«) brachte die Heilgehilfin keine Voraussetzungen für ihre neue Stellung mit: »Ich hatte früher keine Ahnung von Musik und Schallplatten.« Dass Hoffmann wegen des DJ-Jobs von der Schule flog, wird nur in einem Nebensatz erwähnt – offenkundig fand man die Durchsetzung rigider Moralvorstellungen mittels Rausschmiss beim Spiegel vollkommen in Ordnung.
1970 wird ein weiteres Lokal, der »New Eden Saloon«, in einer Filmkritik erwähnt, in Ulrich Schamonis Pärchen-Roadmovie »Wir zwei« besucht die männliche Hauptfigur die von Eden betriebene Diskothek. Seinen sozialkritischen Anspruch habe »Schamoni nun wirklich nicht erfüllt: Sein Berliner Film, inszeniert auf authentischen Berliner Schauplätzen mit authentischen Berlinern wie Rolf Eden, Schröder-Sonnenstern und vielen anderen, die ›sich selbst spielen‹«, stellt der Spiegel säuerlich fest.
In den nächsten Jahrzehnten wird Rolf Eden immer wieder um Statements gebeten, wie 1999, als er erklärt: »Ich habe kein Bücherregal, aber ein Umkleidezimmer, das habe ich in einem Sinatra-Film gesehen.«
Es ist wohl die entwaffnende Ehrlichkeit, die ihn auch für andere Blätter zum gefragten Gesprächspartner macht. Im Gegensatz zu vielen Prominenten, die sich selbst dann in Talkshows setzen, wenn sie vom Thema des Abends überhaupt keine Ahnung haben, versucht Eden gar nicht erst, sich zu verstellen. Das ist nicht immer schön, manche Statements und Dramen (wie das, in dem Eden und sein Sohn sich in Berliner Boulevardzeitungen ausdauernd und ohne intime Details auszulassen um eine Frau stritten) sind ohne Vorkenntnisse im Fach Fremdschämen kaum zu verfolgen.
Wie bei den meisten Promis scheint es aber auch bei Rolf Eden nicht so zu sein, dass die Presse ihn auf der Suche nach neuen Geschichten Tag und Nacht umlagert. Was im Buch immer wieder nonchalant beschrieben wird, nämlich Schlagzeilen und Paparazzi-Fotos, die ihn mit schönen Frauen zeigen, scheint eher das Ergebnis harter Arbeit zu sein. Eine ehemalige Freundin erklärt, dass Eden es schon früh verstand, Kontakte zu Journalisten zu pflegen und ihnen Stoff für Artikel zu liefern. Die Fähigkeit, sich selbst und seine Lokale medienwirksam zu inszenieren, war in den fünfziger und sechziger Jahren noch nicht so gängig – wie hart der Aufstieg vom Rückkehrer zum gefeierten Millionär erarbeitet wurde, erzählt Eden jedoch nicht.
Und auch so lässig, wie er gern tut, scheint er im Umgang mit seinen Frauen nicht immer gewesen zu sein. Von Verlustängsten ist in einem Beitrag die Rede, von Eifersuchtsdramen und ausgesprochen unschönen Szenen. Seine Ex Uschi sagt über ihn: »Rolli ist perfekt im Verdrängen.« Seine Kindheit sei wohl nicht sehr behütet gewesen, die Geschwister »waren eine Art Straßenkinder, die sehr auf sich selbst gestellt waren«, an Schutz, Geborgenheit und Stabilität habe es gemangelt.
Gleichzeitig betonen alle Freunde, dass er genau diesen Schutz und diese Geborgenheit gern vermittle (wozu in den sechziger Jahren das automatische Zahlen von Alimenten jedoch anscheinend nicht immer gehörte). Uschi allerdings wünscht sich, dass »Rolli« gelegentlich etwas tiefgründiger wäre. Dies wird wohl kaum passieren. Auf die Frage danach, welche Bedeutung Religion für ihn habe, antwortete Eden kürzlich in der SZ: »Ich glaube nicht an diesen Quatsch, der zu einer Zeit erfunden wurde, als es noch nicht einmal Toilettenpapier gab.«

Rolf Eden: Immer nur Glück gehabt. Wie ich Deutschlands bekanntester Playboy wurde. Bastei Lübbe, Köln 2012, 272 Seiten, 18 Euro