Mietpolitik in Hamburg

Mit Courage gegen Courtage

Die Hamburger SPD will mit einer Bundesratsinitiative eine Neuregelung bei den Maklergebühren erreichen, um die Mieter zu entlasten.

Wohnungssuchende in Hamburg sind es seit Jahren gewöhnt: Man antwortet auf eine attraktive Wohnungsanzeige und findet sich dann mit Dutzenden Interessenten in einer schier endlosen Schlange wieder. Wichtig beim Betreten der Wohnung ist vor allem, den Makler nett anzulächeln. Am Besten lässt man im Vorbeigehen schon einmal Worte wie »solvent« oder »fester Arbeitsvertrag« fallen. Wie beim Bewerbungsgespräch ist ein gepflegtes Äußeres obligatorisch. Hat man die Wohnung schließlich ergattert, entrichtet man eine stolze Summe als Maklercourtage.
Doch gerade in Großstädten wie Hamburg stellt sich vielen Wohnungssuchenden die Frage, was der Makler für sein Geld eigentlich macht. Oftmals umfasst die Dienstleistung lediglich das Aufschließen der Wohnungstür, häufig endet an dieser Stelle die Fachkompetenz. Bei der Auswahl der zukünftigen Mieter kann der Makler jedoch aus dem Vollen schöpfen. Weitere Fragen zur Wohnung werden von ihm nicht unbedingt beantwortet – stand doch alles im Internet!
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg, Anjes Tjarks, kennt diesen alltäglichen Mietwahnsinn auch aus eigener Erfahrung. »In Hamburg gibt es schon unglaubliche Auswüchse. Da tritt als Makler auch gern mal der Squash-Freund auf«, so Tjarks. Die GAL hat deswegen schon seit längerem überlegt, die Kosten für den Makler nach dem Bestellerprinzip umzugestalten. Dabei soll derjenige, der den Makler einschaltet, auch die Kosten übernehmen.

Die Maklergebühren sollen also zukünftig nicht mehr vom Mietinteressenten, sondern vom Vermieter übernommen werden. Neu ist die Idee nicht – sie wurde auch nicht allein von der Hamburger GAL entwickelt. Bereits Ende 2010 hatten die Grünen im Bundestag einen Antrag eingebracht, der die Einführung des Bestellerprinzips zum Ziel hatte. Angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse wurde ihr Antrag erwartungsgemäß abgelehnt. Doch im beginnenden Wahlkampf für die Bundestagswahl verändern sich die Interessen – die Parteien positionieren sich neu. Und weil es mittlerweile in sämtlichen deutschen Großstädten für Mieter auf dem Wohnungsmarkt eng wird, könnten sich mit der Forderung nach dem Bestellerprinzip viele Wählerstimmen gewinnen lassen.
Die SPD hat dies ebenfalls erkannt, schließlich ringt sie um ihr soziales Image. Die Hamburger SPD hat die Idee der GAL nun aufgegriffen und will sie Anfang kommenden Jahres in den Bundesrat einbringen. »Unser Antrag besteht im Grunde genommen aus zwei Teilen. Die Mietpreise sollen – gerade in begehrten Wohnlagen – nur noch maximal 20 Prozent über dem Mietspiegel liegen dürfen und das Bestellerprinzip wird eingeführt«, sagt Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Hamburger SPD. Er kennt ebenfalls einige Beispiele für unseriöse Maklertätigkeiten. In einem Fall trat sogar die Nichte des Vermieters als Maklerin auf. Die Mieter im umkämpften Hamburger Wohnungsmarkt nehmen ein solches Vorgehen wohl oder übel in Kauf. Denn wenn man die Praktiken kritisiert, erhält ein anderer Interessent die Wohnung. Dem Argument der Gegner des Bestellerprinzips, dass die Vermieter bei einer Umstellung die anfallenden Maklerkosten auf die Mieter umlegen könnten, hält Kienscherf entgegen, dass eine Umlage diverser Kosten bereits heute schon zügellos geschehe. Und mit der Forderung nach einer Mietpreisbegrenzung könnte den drastisch steigenden Mieten entgegengewirkt werden. Tjarks weist zudem darauf hin, dass der Vermieter sicherlich Preisvergleiche anstellen und nicht den teuersten Makler beauftragen werde.
Das Bestellerprinzip hält Kienscherf besonders in Ballungszentren für dringend geboten. »In Flächenstaaten sieht dies ganz anders aus. Hier haben die Makler mitunter sehr viel Arbeit, bis sie eine Immobilie loswerden«, so Kienscherf. Aus diesem Grund sieht er auch kein Problem, wenn nach einem Erfolg der Bundesratsinitiative einzelne Kommunen eigene Regeln aufstellen. In den großen Ballungszentren sieht er jedoch zum Bestellerprinzip keine Alternative. Die GAL geht in ihren Forderungen noch einen Schritt weiter. Sie will den Beruf des Maklers schützen lassen, so dass sich nicht jeder Makler nennen kann. Dieser Forderung schließt sich die SPD bislang nicht an – sie sieht die Berufsfreiheit dadurch eingeschränkt.

Die ersten Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Bremen, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg, haben bereits Interesse an der Umstellung auf das Bestellerprinzip signalisiert. »Mit dem großen Bundesland Nordrhein-Westfalen im Rücken nimmt die Forderung natürlich mehr Fahrt auf«, sagt Tjarks. Für die Zeit nach der Bundestagswahl haben SPD und Grüne angekündigt, dass sie das Bestellerprinzip in jedem Fall einführen würden. Doch damit allein werden sich die Wohnungsprobleme vor allem in den Großstädten nicht lösen lassen. Zudem ist dessen Wirksamkeit fraglich, denn in Hamburg beauftragen viele Mietinteressenten einen Makler mit der Suche. Wenn dieser in Zukunft zufällig auch vom Vermieter bestellt wurde, hat er wenig Arbeit und kassiert doppelt.
Abgesehen von den Maklergebühren haben Mieter in Großstädten noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Das Beispiel Hamburg zeigt, dass viel zu wenig bezahlbarer Wohnraum verfügbar ist und gebaut wird. Jährlich wächst die Bevölkerung um rund 7 000 Menschen, die vor allem in die begehrten Stadtteile drängen. In Berlin entwickelt sich die Situation ähnlich. Lange galten die Mieten in der Stadt als günstig, doch in den vergangenen Jahren sind die Mieten und Kaufpreise kräftig gestiegen. Der »Berlin-Appell zur Wohnungspolitik« fordert den Senat deshalb auf, gegen Mietpreisüberhöhungen vorzugehen und den Paragraphen 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes anzuwenden, der die »Ausnutzung eines geringen Angebotes« unter Strafe stellt.

Bevor es jedoch zu wirksamen Verbesserungen für die Mieter kommen könnte, arbeitet die Bundesregierung sogar an einer weiteren Verschlechterung. Ihre Pläne für eine Änderung des Mietrechtes stärken wieder einmal die Position der Vermieter. Bei energetischen Sanierungen sollen die Mieter demzufolge fortan drei Monate lang keine Mietminderungen vornehmen können – auch wenn die Wohnung wochenlang einer Baustelle gleicht. Darüber hinaus soll bei einer verspäteten Kautionszahlung viel schneller geräumt werden können, bei zweimaligem Ausbleiben der Miete kann demnach fristlos gekündigt werden. Die Bundesregierung will die Vermieter so vor sogenannten Mietnomaden schützen. Mietervereine kritisieren die geplante Änderung. »Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf beschneidet einseitig Mieterrechte, ist sozial ungerecht, schafft keinen Anreiz für Modernisierungen und verhindert keinen Wohnungsbetrug«, sagte der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, auf einer Pressekonferenz.
Angesichts dessen kann man sich beinahe glücklich schätzen, wenn man Eigentümer eines Gehöftes ist, auf dem »der Hirtenhund kläfft«, wie es Rainald Grebe in seinem Lied »Aufs Land« ironisch würdigt. Wahrscheinlich wäre das auch die ehrlichste Empfehlung an Großstädter im Wahlkampf: Zieht aufs Land!