Die Eröffnung des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrums

Ungetrennt ermitteln

Das neu eröffnete »Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum« soll zukünftig Skandale wie im Fall des NSU verhindern. Vor allem wird in der Einrichtung jedoch die Trennung von Polizei und Geheimdiensten umgangen.

Eigentlich ist der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, derzeit zurückhaltend, wenn es um optimistische Aussagen geht. Zu gegenwärtig sind die Enthüllungen über die Zusammenarbeit von Verfassungsschützern mit Rechtsextremisten aus dem Umfeld des NSU, zu heftig ist die Kritik, in der sein Inlandsgeheimdienst deshalb steht. Den Donnerstag voriger Woche erklärte Maaßen trotzdem zu einem »guten Tag für die Sicherheit des Landes«. Sein Vorgesetzter, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), hatte in Köln das »Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum« (GETZ) eröffnet. Für Maaßen ist dies eine wichtige Konsequenz aus den Versäumnissen bei den NSU-Ermittlungen.

Die in Köln und Meckenheim bei Bonn angesiedelte Einrichtung hat viel zu tun: Sie soll das schon im vergangenen Jahr gegründete »Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus« aufnehmen und sich zugleich um die Bereiche »Linksextremismus, Ausländerextremismus, Waffenhandel und Spionage« kümmern. Nach dem Willen Friedrichs soll das GETZ keine neue Behörde, sondern eine »Kommunikationsplattform« werden: Geführt vom Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt, sollen nicht weniger als 42 Ämter künftig ihre Daten »in phänomenbezogenen Arbeitsgruppen in Echtzeit austauschen«, neben dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst auch die Bundespolizei und die Bundesanwaltschaft, das Zollkriminalamt, die europäische Polizeibehörde Europol, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, die 16 Landeskriminalämter sowie Landesverfassungsschutzbehörden und sogar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Lob bekam Friedrich von den CDU-Innenministern. Sie sind der Überzeugung, das GETZ werde helfen, die »analytische, präventive und operative Schlagkraft der Sicherheitsbehörden optimal zu bündeln«. Große Zustimmung gab es auch aus dem Sicherheitsapparat. »Ohne Alternative« sei das GETZ, sagte der BKA-Präsident Jörg Ziercke. »Ganz eindeutig richtig«, urteilte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, und forderte gleich neue Stellen für »hochqualifizierte Ermittler« im GETZ.
Trotz des Lobes ist die Eröffnung des Zentrums kein politischer Erfolg für Friedrich. Deutlich wurde dies bei der Einweihungsfeier am Dienstsitz des GETZ in Köln am Donnerstag voriger Woche: Zu ihr kam nämlich kaum jemand. Die geladenen Vertreter der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Saarland und sogar des rot-schwarz regierten Mecklenburg-Vorpommern blieben demonstrativ fern. Friedrichs Parteifreund, der mecklenburgische Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der zurzeit auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, sprach von einem »Fehlstart«. »Schnellschuss«, »PR-Gag« oder »Profilierungsversuch« lautete das Urteil aus anderen Landeshauptstädten. Die Landesregierungen hatten zuvor vor allem kritisiert, dass Friedrich das Zentrum eröffnen wolle, ohne die nächste Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Rostock abzuwarten, und sie nur »zum Mitmachen eingeladen« habe. »Die konzeptionelle Ausgestaltung des GETZ« müsse »von Bund und Ländern gemeinsam im Konsens erarbeitet und beschlossen werden«, sagte Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) der Jungle World. »Das Vorgehen des Bundesinnenministers entspricht dem nicht.« Ähnlich äußerte sich auch die Hamburger Innenbehörde.
Auch grundsätzliche Kritik ist zu vernehmen. »Wir sind nicht mit dem Konzept einverstanden, weil es kein Konzept gibt«, sagt ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums der Jungle World. »Bis jetzt ist das ganze Ding nichts weiter als ein Türschild.« Vor allem sei es problematisch, die Verfassungsschutzämter mit den Polizeibehörden »an einen Tisch zu setzen«, denn »das Trennungsgebot ist dabei nicht gewahrt«. Eine Kompetenzüberschreitung drohe: »Die Polizei darf beim legalen Extremismus gar nicht tätig werden, dafür gibt es den Verfassungsschutz.«

Ähnliche Kritik hatte zuvor auch die Linkspartei geäußert. Die Abgeordnete Petra Pau kündigte eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an. Es müsse geklärt werden, ob die Einrichtung des Zentrums mit dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz vereinbar sei. Für ihren Fraktionskollegen, den ehemaligen Bundesrichter Wolfgang Neškovic, ist die Antwort klar. »Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten wird weiter verwässert«, sagt er der Jungle World. Geheimdienste und Polizei blieben formell zwar getrennt. »Es ist jedoch fraglich, ob im Rahmen der Kooperation der Polizei nicht Informationen zufließen, die sie selbst nicht erheben darf.« Das habe auch Folgen für die parlamentarische Kontrolle der Ermittlungsbehörden. Denn zwar gebe es sowohl Kontrollinstanzen für die Polizei wie auch für die Geheimdienste. Doch eine Zwitterkonstruktion wie das GETZ werde von ihnen nicht erfasst. »Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen im GETZ und in anderen ›Gemeinsamen Zentren‹ verschwimmen die Verantwortlichkeiten, so dass die dabei gewonnenen Gesamtergebnisse der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden«, sagt Neškovic.
Auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie kann dem neuen Antiterrorzentrum nichts abgewinnen. »Der Verfassungsschutz, der mit seinen V-Leuten und seinem Quellenschutz für die ›NSU-Ermittlungspannen‹ gesorgt hat, wird jetzt belohnt, statt ihn ein für alle Mal abzuschaffen«, sagt sein Vorstandsmitglied Heiner Busch. »Damit wird eine Entwicklung komplettiert, die seit längerem anhält.« Schon in den neunziger Jahren seien Kooperationsgremien von Polizei und Geheimdiensten geschaffen worden, etwa die »Koordinierungsgruppe Terrorismus«. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kamen weitere Einrichtungen hinzu: das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum« gegen den internationalen Terrorismus, das »Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration«, das »Gemeinsame Internetzentrum« zur Beobachtung islamistischer Websites und schließlich, nach dem Auffliegen des NSU, das »Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus«. Das nunmehr letzte in dieser langen Reihe, das GETZ, folge der »üblichen Logik der schwachsinnigen Extremismus-Doktrin«, sagt Busch.

Mit all diesen Zentren und gemeinsamen Datensammlungen habe sich das »vielgerühmte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten in sein Gegenteil verkehrt«. Die Analyse des Innenministeriums und der etablierten Parteien laute, die NSU-Mordserie habe nicht früher aufgedeckt werden können, »weil Polizei und Verfassungsschutz, Bundes- und Landesbehörden nicht genügend kooperiert und nicht genügend Informationen ausgetauscht« hätten. Der NSU sei in dieser Sicht »ein bloßer Unfall« gewesen. Busch hält es hingegen für »Humbug«, dass eine zentralisierte Datei »quasi auf Knopfdruck Ermittlungsansätze liefert«. An das eigentliche Problem, den institu­tionellen Rassismus, werde »nicht gerührt«.
Caffier will als Gastgeber auf der Herbstkonferenz der Innenminister zum GETZ »nachverhandeln«. Bis dahin gebe es »keine Grundlage« für eine Zusammenarbeit der Länder mit dem Zentrum, sagte sein Sprecher. Friedrich kündigte an, in Rostock für das GETZ zu werben. »Ich gehe davon aus, dass 2013 alle Länder dabei sind«, ist er sich sicher.