Linke Kritik an Obama

Keine Chance für Robin Hood

Von rechts wird Barack Obama als »Sozialist« attackiert, doch auch viele Linke kritisieren ihn heftig.

So richtig glücklich ist wohl keiner mit dem »American Taxpayer Relief Act«, der neuen Gesetzgebung, die dazu dienen soll, dem Automatismus der »Fiskalklippe« zunächst zu entkommen. Aus dem von US-Präsident Barack Obama viel beschworenen grand bargain, dem »großen Übereinkommen« zur Wiederherstellung finanzpolitischer Vernunft in den USA, ist ein bescheidenes Kompromisspapier geworden. Am 1. Januar segnete der US-Senat mit 89 zu neun Stimmen das Gesetz ab, doch im Kongress gab es starken Widerstand, von rechts wie auch von links. Nicht nur 167 republikanische Kongressabgeordnete stimmten gegen den ausgehandelten Vorschlag, sondern überraschend auch 16 Demokraten. Wie so oft während seiner Präsidentschaft wird Obama auch von links heftig kritisiert. Der renommierte Publizist Jonathan Alter meint, der Präsident habe »bereits alle Hände voll damit zu tun, mit den erzürnten und realitätsfremden Republikanern zu verhandeln. Jetzt lernt er deren Kollegen auf der linken Seite kennen – diese sind ideologisch ebenso unflexibel wie die Republikaner, und zuweilen ebenso unvernünftig.« Tatsächlich befindet sich der Präsident in einer schwierigen Situation. Von rechts wird er als »Sozialist« attackiert, aber Unterstützung aus den eigenen Reihen gibt es trotzdem kaum, viele Progressive sind von Obamas moderatem Kurs und vorsichtigen Reformversuchen enttäuscht. Einer der linken Kongressabgeordneten, der gegen den »Taxpayer Relief Act« stimmte, war Xavier Becerra, der den 31. Wahlbezirk vertritt, eine der ärmsten Regionen der USA. Der 31. Bezirk umfasst Teile von Downtown und South Central Los Angeles, viele Menschen hier haben keineArbeit, es mangelt an verlässlicher Infrastruktur, Schulen und medizinischer Versorgung. Entsprechend hätte sich Becerra gewünscht, dass die Wohlhabenden bereits ab Einkommen von 250 000 Dollar im Jahr stärker zur Kasse gebeten werden. »Monatelang«, so ließ Becerra der Jungle World mitteilen, »hat Präsident Barack Obama in gutem Glauben nach einer ausgewogenen und nachhaltigen Lösung für den sogenannten fiscal cliff gesucht, eine selbst zugefügte Wunde des nicht mehr funktionsfähigen Kongresses. Aber wie so oft in den vergangenen zwei Jahren sind die Republikaner im Kongress an Verhandlungen nicht interessiert.«

Dabei ist die Situation für die Linken gar nicht so schlecht. Der »Taxpayer Relief Act« sieht zum ersten Mal seit 20 Jahren Steuererhöhungen für Besserverdienende vor, allein das könnte als ein Sieg gelten. Und doch, zu bescheiden ist der Betrag, der dadurch in die Kassen kommt. Dass es Obama und den Demokraten gelungen ist, die Schwächsten der Gesellschaft, beispielsweise Senioren und Arbeitslose, vor Steuererhöhungen und Sozialkürzungen zu schützen, sorgt nicht gerade für Jubel. Denn viele Linke sind alarmiert, dass Obama immer wieder hart erkämpfte Errungenschaften bei Verhandlungen aufs Spiel setzt. Viel können sie allerdings nicht tun. Insbesondere die Gewerkschaften leiden derzeit empfindlich, deren politischer Einfluss wurde in den Wahlen 2010 und 2012 in Bundesstaaten wie Wisconsin und Michigan stark geschmälert. Der »progressive Caucus«, das Bündnis der Linken im Kongress, hätte statt des ausgehandelten Kompromisses viel lieber die sogenannte Robin Hood tax gesehen, eine Finanztransaktionssteuer, die jedoch in den USA als politisch nicht durchsetzbar gilt. Zwar genießt die Steuer den Zuspruch großer Gewerkschaften, etwa der Gewerkschaft für Krankenschwestern, und einiger Kongressabgeordneter wie dem als linksliberal geltenden Keith Ellison aus Minnesota, aber in den Kongressakten ist zum derzeitigen Status der Robin-Hood-Steuer nur ein einziges, vielsagendes Wort zu lesen: »Gestorben.«
So blieb auch Ellison nichts anderes übrig, als für den »Taxpayer Relief Act« zu stimmen. Er tat es schweren Herzens, so wie viele andere Demokraten auch. »Obwohl dieser Kompromiss viele Mängel hat«, so Ellison in einer Presseerklärung, »erfüllt er die grundsätzlichen Prinzipien, für die ich stets gekämpft habe. Aber unsere Arbeit ist noch lange nicht zu Ende.« Da hat er recht, denn die nächsten Verhandlungen stehen bereits an: Der sogenannte Sequester, das Inkrafttreten von Haushaltskürzungen in Höhe von 1,2 Billiarden Dollar, wurde nur um zwei Monate verschoben. Eine Einigung mit den Republikanern ist nicht in Sicht, denn diese wollen bei der nächsten Runde auf keinen Fall nachgeben und würden am liebsten die Rentenkasse, Social Security, und die Krankenkasse für Senioren, Medicare, privatisieren.

Genau davor haben die Linken Angst, denn sie fürchten, der Präsident könnte nachgeben. Dabei sind sowohl Social Security wie auch Medicare vom Sequester ausgeschlossen, ein cleverer Schachzug des Präsidenten, den er bei Verhandlungen im Sommer 2011 durchzusetzen vermochte. Doch die Furcht, Obama könne harten Eingriffen zustimmen, bleibt bestehen. »Wir sollten das kürzen, was wir nicht brauchen, wie zum Beispiel Steuerschlupflöcher für Firmen, den Geldsegen für das Pentagon und Subventionen für große Ölfirmen und Pharmakonzerne«, ließ Ellison über Twitter verlautbaren. Alles schön und gut, aber für eine derartige Politik ist Obama vermutlich nicht der Richtige. So ist zwar die Linke nervös, aber eine einheitliche Linie oder ein starker Fürsprecher ist nicht zu erkennen. Trotz aller Parolen herrscht Ratlosigkeit.