Die Krise der Republikaner

Krise in der GOP

Durch die Dominanz konservativer Marktdogmatiker lässt die Integrationskraft der Republikaner nach.

Die US-amerikanischen Nachrichtensender zeigten einen gerührten John Boehner, der nach seiner Wiederwahl als »Speaker« des von den Republikanern, der Grand Old Party (GOP), geführten Repräsentantenhauses mit Tränen in den Augen die Parlamentarier des 113. Kongresses in Washington vereidigte. Zwölf Gegenstimmen hatte Boehner kurz zuvor von der Mehrheitsfraktion der GOP erhalten. Das Ergebnis konnte nicht überraschen. Boehner war in den Wochen zuvor einer jener Republikaner, die mit ihrem Kompromisskurs den Sturz von der »Fiskalklippe« abgewendet hatten.
Die GOP befindet sich in einer Krise. Die Niederlagen bei den Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 haben auf allen Ebenen Spuren hinterlassen. Und der oftmals gefühlsbetonte Auftritt von Boehner ist nicht nur für die radikale Rechte in der Fraktion ein Symbol für die Schwäche der Partei. Fox-TV-Kommentator Todd Starnes bezeichnete Boehner via Twitter beispielsweise als »emotional labile Heulsuse«. Und wie umstritten der Kompromiss bei den Kongressabgeordneten war, zeigte sich am Wahlverhalten der Spitzenfunk­tionäre der GOP. Während Boehner das Verhandlungsergebnis verteidigte, stimmte unter anderen Eric Cantor, der republikanische Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, dagegen.
Die Republikaner haben im Kongress keine klare Linie. Bereits der jüngste Präsidentschaftswahlkampf machte die Defizite offenkundig. Kandidat Mitt Romney wirkte wie ein Getriebener, der den jeweiligen Erwartungen der unterschiedlichen Interessengruppen und Wähler entsprechen wollte. Sein heimlich dokumentierter Spott über jene »47 Prozent« der Amerikaner, die von staatlichen Leistungen abhängen und deshalb die Demokraten wählen, zeigte allerdings, dass er für die weniger betuchten Schichten nicht viel übrig hat.
Auf den demographischen Wandel, der sich auch in den Wahlergebnissen ausdrückt, reagiert die GOP ohnehin nur sehr langsam. Romney gelang es im November 2012 zwar, fast 60 Prozent der weißen Wähler zu erreichen. Präsident Barack Obama erzielte jedoch in den hispanischen und asiatischen Communities rund 70 Prozent der Stimmen. Unter den Afroamerikanern stimmten rund 90 Prozent für den amtierenden Präsidenten. Mit Senator Tim Scott aus South Carolina verfügt die Partei Lincolns dagegen nur über einen einzigen afroamerikanischen Vertreter im Kongress.
Die GOP fällt derzeit sogar hinter das Niveau von George W. Bush zurück. Dieser schaffte es glänzend, mit wertkonservativer Rhetorik die untere weiße Mittelklasse an sich zu binden, ohne dass der reale fiskalische »Klassenkampf von oben« dort zu einem lautstarken Protest geführt hätte. Der letzte republikanische Präsident konnte noch alle relevanten Flügel der GOP – die christliche Rechte, die Fiskalkonservativen sowie liberale Republikaner – an die Partei binden. Denn moderate Töne in der Einwanderungspolitik gehörten ebenso zu seiner Strategie wie die Rhetorik des »mitfühlenden Konservatismus«, die in Losungen wie »No Child Left Behind« zum Ausdruck kam. Durch die stärkere Ausrichtung auf evangelikale Traditionalisten und konservative Marktdogmatiker lässt die Bindekraft der GOP nach. Die Lautstärke, mit der die Minderheit der Tea Party gegen die wohlfahrtsstaatliche Tradition von Lyndon B. Johnsons »Great Society« kämpft, überdeckt, mit welcher Selbstverständlichkeit große Teile der Bevölkerung auf die wenigen vorhandenen sozialen Errungenschaften angewiesen sind. Paul Krugman wies in der New York Times treffend darauf hin, dass ein abstrakter Anti-Etatismus zwar auf viel Beifall hoffen kann. Konkret aber verteidigen auch zahlreiche Anhänger der GOP ihre Ansprüche auf Social Security, Medicare oder Medicaid. Mag ein konservativer Kolumnist wie Charles Krauthammer Präsident Obama auch als »Gleichmacher« vorführen wollen – radikale Klientelpolitik, die aus ideologischen Gründen sogar einen Absturz in die Rezession riskiert, führt die GOP weiter ins Abseits.
Im auf checks and balances ausgerichteten amerikanischen Kongress bildet die GOP derzeit eine starke Sperrminorität. Bleibt die Partei bei ihrer derzeitigen Strategie aus Obstruktionspolitik und taktischen Kompromissen, erfüllt sich die Prognose von Krugman, wonach die kommenden Monate »sehr, sehr hässlich« verlaufen werden. Spätestens dann aber wird aus der Krise der GOP eine Krise des politischen Systems der USA.