Drohender Putsch in der Zentralafrikanischen Republik

Prediger unter Beschuss

In der Zentralafrikanischen Republik bedrohen Rebellen die Macht des amtierenden Präsidenten. Der ehemalige Putschist hofft auf internationale Unterstützung, doch sie wird ihm verweigert.

Umsonst warteten die Rebellenführer aus der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) am Sonntag an der Start- und Landebahn der Stadt Bria auf ihren Abflug. Die Maschine, die sie nach Libreville, in die Hauptstadt von Gabun, mitnehmen sollte, traf erst am Montag ein. »Aus technischen Gründen« sei sie in Bangui, der Hauptstadt der ZAR, aufgehalten worden, hieß es später von offizieller Seite. Die wartenden Passagiere glaubten dieser Version nicht. In Libreville begannen am Dienstag die Verhandlungen zwischen der Rebellenkoalition Séléka – in der Landessprache Songo »Allianz« oder »Bündnis« – und der Regierung von Präsident François Bozizé. Die Séléka hatte am 10. Dezember vergangenen Jahres eine militärische Offensive begonnen und innerhalb weniger Wochen weite Teile des Nordens, Ostens und Zentrums der Republik erobert. Die Städte, die seit Jahrzehnten vom Zentralstaat vernachlässigt worden waren, fielen den Rebellen oft sehr schnell in die Hände, aber ihr Vorrücken war auch von Plünderungen begleitet.
Erst auf der Höhe von Damara, rund 60 Kilometer vor Bangui, wurde die Offensive Ende Dezember aufgehalten. Die Wirtschaftsgemeinschaft zentralafrikanischer Staaten (CEEAC), die seit fast zehn Jahren eine eigene »Stabilisierungstruppe« für die krisengeschüttelte ZAR unter dem Namen Micopax unterhält, hatte die Rebellen gestoppt. Sie sind ein heterogener Zusammenschluss aus politisch Motivierten – deren Anführer ist Eric Massi, der Sohn des ermordeten zivilen Oppositionellen Christian Massi – und Gruppen, denen es eher um Beute geht. Gegen Micopax hatten die Rebellen der ZAR, in der es nur vier Millionen Einwohner gibt, keine Chance.

Mindestens ein Mitglied der CEEAC, der Tschad, wird allerdings verdächtigt, hinter den Rebellen oder einem Teil von ihnen zu stehen. Dies ist plausibel, da die Präsidentengarde des Tschad infolge einer Vereinbarung mit Präsident Bozizé im Norden der ZAR stationiert ist, aber nicht eingriff, als die Séléka im Dezember eine Stadt nach der anderen eroberte. Für Bozizé muss dies als Warnung erscheinen. Er kam 2003 mit Waffengewalt an die Macht, unterstützt durch das tschadische Regime. Damals wurde auch gemutmaßt, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich stecke hinter seinem Putsch. Bozizé, der von 1979 bis 1981 eine Offiziersschule in Frankreich besuchte, hatte zwar Kontakte zur französischen Armee, doch der evangelikale Pastor und Prediger, der sich mit christlichen Sektenmitgliedern unter anderem aus Benin umgeben hat, gilt beim Großteil der französischen politischen Elite als borniert und unzuverlässig. Deshalb wandte sich Bozizé nach seiner Machtübernahme lieber China zu. Die chinesische Regierung greift aber grundsätzlich nicht militärisch in Afrika ein, so dass Bozizé Hilfe weiterhin bei Frankreich suchte.

Der Verdacht, dass das tschadische Regime unter Präsident Idriss Déby die Rebellen unterstützt, führt in der ZAR unterdessen dazu, dass Bevölkerungsgruppen im muslimischen Norden und alle von dort stammenden Binnenmigranten, aber auch schon lange im Land lebende muslimische Westafrikaner, zum Ziel von Übergriffen werden. Seit es Ende Dezember kurz so schien, als würden die Rebellen schnell nach Bangui vorrücken, organisierte das Regime bewaffnete Zivilisten, darunter Straßengangs, die nun als »Junge Patrioten« Barrikaden in von Muslimen bewohnten Vierteln errichten. Sie versuchen, »illegale« Ausländer aus den Nachbarstaaten, vor allem Tschader, aufzuspüren. Das Modell für die »Jungen Patrioten« sind die Anhänger des ehemaligen Präsidenten der Côte d’Ivoire, Laurent Gbagbo. Auch sie sorgten im vergangenen Jahrzehnt für eine nationalistische Mobilmachung in einem überwiegend christlich geprägten Süden gegen die Bewohner der eher muslimischen Nordhälfte des Landes. Die Anhänger von Präsident Bozizé behaupten, die Rebellen seien mit den Jihadisten zu vergleichen, die die Nordhälfte von Mali besetzt halten und gegen die sich eine internationale Militärintervention anbahnt. Nichts allerdings belegt diese Behauptung, die Rebellion scheint kaum eine ideologische Dimension zu haben.
Boizizé bemüht sich um internationale Unterstützung für seinen Verbleib an der Macht und die Bekämpfung der Rebellen. Doch die wichtigsten Großmächte machen nicht mit. An den Weihnachtstagen ließ er die Botschaften Frankreichs und der USA in Bangui von seinen Anhängern belagern. Die US-Amerikaner schlossen ihre Botschaft daraufhin und zogen das Personal ab. Die französische Vertretung wurde mit Wurf­geschossen angegriffen, blieb jedoch geöffnet.
Auf den ersten Blick ähnelt die Situation jener vor gut 15 Jahren. Bereits im Juni 1996 hatten Demonstranten die französische Botschaft in Bangui attackiert. Damals hatte Bozizés Vorgänger, Ange-Félix Patassé, Ärger mit meuternden Soldaten, die seit Monaten keinen Sold mehr erhalten hatten. Die französische Armee griff damals ein und bombardierte Stadtteile von Bangui, in denen Rebellen vermutet wurden. Dies führte zu allgemeinem Unmut. Die politische Führung Frankreichs kam in den darauffolgenden zwei Jahren zu dem Urteil, es liege nicht im französischen Interesse, für ein unpopuläres Regime die »Leibwache« zu stellen. Am 15. April 1998 wurde die französische Militärbasis in der ZAR geschlossen, wo zuvor noch 2 000 Soldaten stationiert waren. Seit 2002 sind 250 französische Soldaten im Rahmen der Mission Boali dort stationiert, doch die französische Regierung lehnt es ab, die Unterstützung eines bestimmten Präsidenten als strategisches Interesse zu betrachten. Die Aufgabe, die Konflikte vor Ort zu regeln, delegiert sie lieber an die Staaten der Region.