»Sie können die Arbeitgeber ja nicht zwingen«

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat in einem offenen Brief eine Debatte über die Verkürzung der Arbeitszeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gefordert. Peter Grottian, emeritierter Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin und einer der Unterzeichner des Briefs, erläutert, warum eine solche Debatte aus seiner Sicht wichtig wäre.

Bis in die neunziger Jahre hinein haben Gewerkschaften für Arbeitszeitverkürzungen, etwa die 35-Stunden-Woche, gekämpft. Wieso tun sie das heute nicht mehr?
Ich denke, das liegt daran, dass die Erfolge dieser Kampagnen ja doch eher bescheiden waren. In der Privatwirtschaft gibt es halt immer das Problem, dass Arbeitszeitverkürzung nicht zwangsläufig auch die Schaffung neuer Stellen mit sich bringt. Sie können die Arbeitgeber ja nicht zwingen.
Haben sich die Gewerkschaften vom Mantra des Standorts Deutschland, der verteidigt werden müsse, einlullen lassen?
Natürlich, die IG Metall etwa ist ja regelrecht exportbetrunken und setzt komplett auf die Exportindustrie. Die haben daher in Sachen Arbeitszeitverkürzung gegenwärtig überhaupt kein Interesse. Bei Verdi ist da schon mehr Verständnis zu erwarten.
Dass der Standort Deutschland bedroht sei, ist auch jetzt wieder das Hauptargument auf Arbeitgeberseite. Verstehen die Unternehmer das Konzept nicht?
Dass die privaten Arbeitgeber auf diesem Ohr absolut unmusikalisch sind, versteht sich aufgrund der ökonomischen Machtverhältnisse von selbst. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber müssten da eigentlich sehr viel offener sein, weil dort Arbeitszeitverkürzung sehr leicht mit der tatsächlichen Schaffung neuer Stellen kombiniert werden könnte. Da eine Debatte anzustoßen ist unser Anliegen, und wir glauben auch, dass es in den Gewerkschaften durchaus eine Minderheit gibt, die das ähnlich sieht.
Warum ist es überhaupt wünschenswert, dass alle Menschen arbeiten? Wäre es nicht viel wichtiger, darauf hinzuarbeiten, dass die Bedürfnisse aller Menschen erfüllt werden?
Diese Debatte gibt es schon seit 30 Jahren, wenn ich das mal als alter, bemoster Karpfen so sagen darf. Momentan ist es so, dass in Deutschland fast 13 Millionen Menschen nicht über die Runden kommen – egal ob sie arbeiten oder nicht. Das muss man natürlich thematisieren. Es gibt aber keinerlei Gruppen, die darüber einen gesellschaftlichen Konflikt produzieren. Genau das ist unser Anliegen.