Kaffeekrise in Mittelamerika

Die Pest der schwarzen Bohne

Mittelamerika steht vor einer neuen ­Kaffeekrise. Ein hartnäckiger Pilz sorgt für schlechte Ernten.

Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern, die in Mittelamerika Kaffee produzieren, stehen vor dem Ruin. Probleme bereitet ihnen ein Pilz, Hemileia vastatrix, der die Kaffeesträucher befällt und in kurzer Zeit entlaubt. In Guatemala, Nicaragua, El Salvador, Costa Rica, Honduras, Panama und im Süden Mexikos ist er von den Bauern kaum in den Griff zu bekommen. In Costa Rica ist die Situation besonders schlimm. Pérez Zeledón heißt die am stärksten betroffene Region. Unterhalb der Hauptstadt San José liegt die rund 7 000 Hektar große Kaffeeanbauregion, wo der roya genannte Kaffeerost wütet. Experten erwarten, dass die Produktion in diesem Jahr um 30 bis 40 Prozent zurückgehen wird. Seit Ende Januar bemüht sich die Regierung um Gegenmaßnahmen. Der stellvertretende Präsident Luis Liberman und die Agrarministerin Gloria Abraham unterzeichneten ein Notgesetz, um den Pilz zu bekämpfen. Dieser hat vor allem im Süden Costa Ricas, unterhalb von San José und in der Region von Puntarenas, zahlreiche Plantagen verwüstet.
Insgesamt sind rund 10 000 Hektar Kaffeeplantagen in Costa Rica von dem Pilz betroffen, wie auch in Honduras und Nicaragua sind es eher die tieferen Lagen unterhalb von 1 500 Metern über dem Meeresspiegel. Oberhalb der 1 500 Meter ist roya kaum anzutreffen. Erste Anzeichen für einen Befall mit dem Rostpilz sind kleine gelbe Flecken auf der Unterseite der dunkelgrünen Blätter. Die Flecken dehnen sich aus und wachsen, bis das ganze Blatt wie das eines Laubbaumes im europäischen Herbst aussieht. Kurz bevor die gelben Blätter zu Boden fallen, werden sie von einem feinen hellen Pulver überzogen. Ohne die Blätter hängen die Kaffeekirschen dann schutz­los am Baum und bekommen mehr Sonne, als sie vertragen – sie vertrocknen. Oft werden die Kaffeesträucher mit Pilzbefall von den Kaffeebauern gar nicht erst abgeerntet und im Idealfall gleich durch neue, pilzresistente Setzlinge ersetzt. Dazu raten zumindest die Spezialisten vom Kaffee­institut in Costa Rica.

Die Experten des Kaffeeinstituts reisen derzeit durch die Kaffeeregionen und organisieren Workshops, um den Bäuerinnen und Bauern zu erklären, wie sie der Plage Herr werden können. Zu den Maßnahmen gehören der saubere Beschnitt der Pflanzen nach der Ernte, aber auch die Desinfektion der Blätter und die Verjüngung der Plantagen. Die neuen Setzlinge kosten aber viel Geld. Bis zu 5 000 US-Dollar kostet die Neubepflanzung eines Hektars. Dafür benötigen die Bauern Rücklagen oder Kredite, doch die wenigsten Kleinbauern haben Erspartes oder die Möglichkeit, sich Geld zu leihen. »Ernteausfälle und zusätzliche Investitionen können vielen das Genick brechen«, erläutert Marvin Barrantes. Er ist der Besitzer einer Plantage in Coto Brus bei Puntarenas. Wie viele Kollegen weist er auf den Klimawandel in der Region hin, der es dem Pilz deutlich leichter mache, sich zu verbreiten. Mehr Niederschläge beziehungsweise das Abregnen inerhalb kürzerer Zeiträume, aber auch der Anstieg der Temperatur führen dazu, dass der Pilz optimale Bedingungen vorfindet, um sich auszubreiten. Anders als früher befällt er nun auch Pflanzen in Höhen um 1 200 Meter, weil die Temperaturen auch in diesen Lagen um ein paar Grad gestiegen sind. Das bestätigen Untersuchungen der Experten der salvadorianischen Stiftung für Kaffeeforschung, die zeigen, dass der Pilz Temperaturen zwischen 19 und 27 Grad bevorzugt.

So hat es roya, der seinen Ursprung in Zentral- und Ostafrika hat, geschafft, in die Höhe zu klettern. Zum ersten Mal soll der Ständerpilz in Kenia registriert worden sein, bevor der Schädling ab 1868 auch in Europa, Asien und im südlichen Afrika auftauchte. 1903 wurde er in Puerto Rico nachgewiesen. Erst 1970 erreichte er Brasiliens Anbaugebiete in Minas Gerais und Paraná, von dort breitete sich die Kaffeestrauchseuche nach Kolumbien aus. Damals sorgte die Kaffeeplage – die nur die Arabica-Sorten befällt, nicht aber die in Lateinamerika weniger verbreiteten und gemeinhin als weniger aromatisch geltenden Robusta-Sorten – für enorme Ernteausfälle. Sie betrugen je nach Region zwischen 30 und 80 Prozent.
Diese Aussicht bereite den heutigen Bäuerinnen und Bauern in Mittelamerika große Sorge, zumal die Kaffeepreise ohnehin schon gesunken seien, sagt Raúl Jaime Hernández Restrepo von der Vereinigung der Kaffeebauern Kolumbiens. Seiner Ansicht nach sind die Herausforderungen durch den Klimawandel für die Kaffeebauern in der Region immens. In Kolumbien wird teilweise mit Entwicklungshilfegeldern, unter anderem von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), gegen die Bedrohung vorgegangen. Neupflanzung ist eine der Maßnahmen. Es liegt auch auf der Hand, dass jüngere Plantagen widerstandsfähiger sind als ältere. Bei der Neubepflanzung werden pilzresistente Setzlinge aus­gebracht, um die Erträge wieder zu erhöhen. Doch das hat einen Haken, denn bis Kaffeesträucher tragen, vergehen vom Setzling bis zu ersten Ernte vier bis fünf Jahre. Und es ist kostspielig: Rund 500 Millionen US-Dollar würde die Neupflanzung kosten. Selbst den gut organisierten Kaffeebauern Kolumbiens, die mit Juan Valdés auch eine Kaffeehauskette betreiben, die gute Geschäfte macht, fällt es schwer, diese Summe aufzutreiben.
Es könnte also dauern, bis Kolumbien verlorene Erträge ausgleicht, denn dort begann die Kaffeeseuche schon in der Erntesaison 2011/12. Deshalb verlor Kolumbien seine Position als drittgrößter Kaffeeproduzent auch an das kleine Honduras. In der folgenden Saison könnte sich das eventuell wieder ändern.
In Honduras schätzt man ähnlich wie in Nicaragua, Guatemala und El Salvador, dass 15 bis 30 Prozent der Anbaufläche vom Pilzbefall betroffen sind. Die Bauern verzweifeln angesichts der Zukunftsaussichten. Denn wenn die Sträucher nicht ausgetauscht werden, wie in einigen Re­gionen von Costa Rica bereits geschehen, droht im nächsten Jahr ein noch höherer Ernteausfall. Die Sträucher wenden nämlich viel Energie dafür auf, die Blätter nachzubilden. So bleiben weniger Nährstoffe und Energie für die Kirschen. Dadurch geht Kaffeeexperten zufolge die Ernte auch im Folgejahr zurück. Susanne Voss arbeitet beim Hamburger Kaffeeverein El Rojito, der seit mehr als 25 Jahren Kaffee aus Nicaragua und der Re­gion importiert. Die Kaffeeexpertin hat gerade mehrere Kooperativen in El Salvador und Nicaragua besucht. »Auf um die 20 Prozent beziffert man dort die Einbußen«, sagt Voss. Sie hat auch Fotos von der Kaffeeseuche aus der Kooperative Santa Adelaida bei San Salvador mitgebracht. Dort werden von der Krankheit befallene Kaffeesträucher erst gar nicht abgeerntet, weil die Qualität minderwertig ist.

Ob die Kaffeekrise in der Region, aus der rund 14 Prozent der globalen Produktion stammen, sich auf den Weltmarktpreis auswirkt, ist noch nicht absehbar. Zum einen werden in Mittelamerika auch viele Gourmet-Kaffees aus Lagen jenseits der 1500 Meter produziert, die zu höheren Preisen gehandelt werden, zum anderen ist die Nachfrage auf dem Markt derzeit ohnehin gedeckt. Am 21. Februar lag der Preis bei 1,41 Dollar pro amerikanisches Pfund (454 Gramm). Tendenziell sinken die Preise aufgrund guter Ernteprognosen in Brasilien, dem Marktführer bei der Kaffeeproduktion. Für die Bäuerinnen und Bauern in Mittelamerika sind das schlechte Nachrichten, denn niedrige Preise erschweren zusätzliche Investitionen in die Plantagen. Es sei denn, man verkauft Gourmetbohnen oder hat Bio- oder Fair-Trade-Abnehmer. Dieses Glück hat der Kleinbauer Amado González aus Nueva Segovia in Nicaragua nicht. Er könnte wegen des Pilzes alles verlieren. 50 Morgen Land, etwa zwölf Hektar Anbaufläche, hat er zur Verfügung, und in diesem Jahr ist die Ernte von 400 auf 80 Zentner zurückgegangen. So geht es vielen Kleinbauern und ihren Familien in Nicaragua. Dort hängen zwischen 300 000 und 700 000 Arbeitsplätze vom Kaffee ab, nicht weniger sind es in Honduras. Saisonarbeiter aus beiden Ländern helfen auch in Costa Rica und Panama bei der Ernte. Am Kaffee hängen viele Existenzen, denn schließlich ist die aromatische Bohne nach Erdöl weltweit der legale Exportrohstoff mit dem größten Wert.