Generalstreik in Griechenland

Sparen macht müde

In Griechenland hat es erneut einen Generalstreik gegeben. Doch politische Organisationen wie Gewerkschaften scheinen an Rückhalt zu verlieren und die Gesellschaft bleibt politisch gespalten.

»Die Parolen der Gewerkschafter inspirieren uns nicht mehr«, sagt Elena, eine 50jährige Athenerin, während sie sich zusammen mit anderen Demonstranten auf den Nachhauseweg macht. Es ist Mittwoch, der 20. Februar, am frühen Nachmittag. Eine weitere Demonstration gegen den von den Gläubigern diktierten Sparkurs der griechischen Regierung geht gerade zu Ende. Einige Demonstranten rollen die Banner zusammen, die staatlichen Reinigungsmaschinen fangen schon an, die Straßen sauberzumachen. Es ist der 27. Generalstreik innerhalb von drei Jahren, seit das erste Sparmemorandum mit den internationalen Kreditgebern unterzeichnet wurde.
Schätzungen zufolge gingen bei diesem Generalstreik allein in Athen über 80 000 Menschen auf die Straße. Gleichzeitig fanden in mehreren griechischen Städten große Proteste statt. Die Gewerkschaften fordern unter anderem den Abschluss von Rahmentarifverträgen und wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, deren Rate derzeit offiziell 27 Prozent beträgt, unter Jugendlichen sogar 60 Prozent. Die griechische Wirtschaft befindet sich im siebten Jahr in Folge in einer Rezession. »Die Verachtung der Regierung gegenüber der Wut, der Verzweiflung und dem Unglück des Volkes, die sich in vielen Aktionen ausdrücken, ist in den Augen der Bürger ein großer Schlag gegen die Demokratie«, kommentierte die linksliberale Tageszeitung To Ethnos einen Tag nach dem Generalstreik. Fast jede Woche finden irgendwo in Griechenland kleinere oder größere Proteste gegen die Sparpolitik und die Privatisierungspläne der Regierung statt.

Der Vorsitzende des oppositionellen Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, forderte den sofortigen Rücktritt der Regierung und rief die Griechinnen und Griechen auf, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. »Das griechische Volk kann nicht auf einen Retter warten«, sagte Tsipras. Es war der erste Generalstreik des Jahres, nachdem die Regierung sehr hart gegen die Proteste verschiedener Gruppen von Werktätigen vorgegangen war. Ministerpräsident Antonis Samaras hat in den vergangenen Wochen bereits auf Zwangsrekrutierungen zurückgegriffen, um lang andauernde Streiks zu beenden: Einmal ging es gegen streikende Mitarbeiter des Athener Schienennahverkehrs, das andere Mal gegen Seeleute. Die Streikenden werden dabei zum Dienst verpflichtet, der Form nach kommt dies einer Einberufung zum Militär gleich und wird normalerweise nur in Notfällen eingesetzt. Der Vorsitzende der Beschäftigten der U-Bahn, Antonis Stamatopoulos, verglich die Zwangsrekrutierung mit den Methoden der Junta.
Immer wieder werden auf Demonstrationen Vergleiche mit der Militärdiktatur gezogen. Parolen wie »Brot, Bildung, Freiheit – die Junta endete nicht 1973« rufen jüngere wie ältere Demonstranten. Wie üblich fanden in Athen zwei Protestkundgebungen statt. Die erste organisierte die kommunistische Gewerkschaft Pame, eine zweite die beiden großen Gewerkschaften GSEE (Privatwirtschaft) und ADEDY (Öffentlicher Dienst). Die Demonstranten in Athen waren bei diesem Generalstreik ungewöhnlich still. Die Menschen marschierten fast erschöpft Richtung Parlament. Große Ausschreitungen blieben aus, nur das übliche Katz-und-Maus-Spiel zwischen Vermummten und Polizisten fand statt. Als die Demonstration zu Ende ging, wurden Polizisten mit Molotow-Cocktails angegriffen. Sie antworteten mit Lärmgranaten und Tränengas.

Bemerkenswert an dieser Demonstration war, dass viele Menschen nicht in den Blöcken der Gewerkschaften oder anderer Organisationen mitliefen, sondern allein in Seitenstraßen oder auf Bürgersteigen in Richtung Parlament marschierten. So auch Dimitris K., ein 30jähriger Anwalt, der mit Anzug und Krawatte an der Demonstration teilnimmt und sich mit zwei Freunden auf dem Syntagma-Platz trifft. Sie diskutieren über den Rücktritt der Regierung in Bulgarien nach Protesten gegen hohe Strompreise. Sie sind beeindruckt, dass die Bulgarinnen und Bulgaren so schnell Erfolg hatten. »Ich und meine Freunde nehmen seit fast drei Jahren an Demonstrationen teil. Nichts ändert sich. Im Gegenteil. Es kommen nur noch mehr Sparmaßnahmen«, sagt Dimitris.
Einer aktuellen Umfrage des Instituts Metron Analysis zufolge führt Syriza in der Gunst der Wählerinnen und Wähler mit 20,4 Prozent der Stimmen, gefolgt von der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia mit 19,5 Prozent, der neofaschistischen Chrysi Avgi mit 8,5 Prozent, der sozialdemokratischen Pasok mit 5,6 Prozent und der Kommunistischen Partei mit 4,8 Prozent. Es folgen die konservativen Unabhängigen Griechen mit 4,6 Prozent und die Demokratische Linke (Dimar) mit 4,1 Prozent. Ganze 36 Prozent sind unentschlossen oder würden nicht wählen. Nach dem Banküberfall in Kozani im Februar (Jungle World 7/2013) und einem Angriff auf das Unternehmen Hellenic Gold auf Chalkidiki, wohl aus Protest gegen Bergbauarbeiten, fürchten Experten eine Renaissance der Stadtguerilla.
Politisch wird vor allem über das Sparmemorandum diskutiert. Am 3. März werden Vertreter der sogenannten Gläubiger-Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank in Athen erwartet. Ihre Bewertung der Sparmaßnahmen wird darüber entscheiden, ob Griechenland die nächste Rate der Kreditzahlungen erhält. Ein neuer Schuldenschnitt soll nach Angaben des griechischen Finanzministeriums schon länger im Gespräch sein, unter der Voraussetzung, dass Griechenland das sogenannete Stabilisierungsprogramm in die Tat umsetzt. Trotz des Schuldenschnitts 2012 betragen die Staatsschulden offiziell immer noch mehr als 300 Milliarden Euro.