Den Umgang mit Obdachlosen in Hamburg

Obdachlose ziehen immer

In Hamburg hetzte eine anonyme Initiative gegen Obdachlose. Dann kam heraus, dass es sich um eine als soziales Engagement getarnte Werbekampagne handelte.
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Das Hamburger Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt wirbt mit dem Slogan »Niemand kennt Hamburgs Straßen besser«. Wer hinter der »Initiative Sauberes Hamburg« steckte, ahnte die Redaktion jedoch nicht. »Dubiose Hetze im Netz« titelte die Zeitung zunächst empört. Verständlich, denn die anonym lancierte Kampagne wütete im Internet mit diskriminierenden Äußerungen, denen zufolge Obdachlose beim Shopping stören, Pfandautomaten blockieren und Müll verstreuen würden. Auf der Homepage hieß es: »Wir fordern: Weg mit den Obdachlosen, für ein sauberes Hamburg!«
Dann jedoch kam heraus, dass hinter dieser Kampagne die Farbflut Entertainment GmbH steckt, ein Unternehmen, das Browserspiele entwickelt und die ganze Aktion satirisch gemeint haben will. Bereits 2008 hatte Farbflut mit dem »Pennergame« für Aufsehen gesorgt. »Wir setzen uns seit Jahren mit provokanten und unorthodoxen Mitteln dafür ein, die Probleme der Menschen am Rande unserer Gesellschaft in den Fokus zu rücken«, erklärt die Firma auf ihrer Website. Man habe Aufmerksamkeit erregen wollen, »Aufmerksamkeit für ein wirklich drama­tisches Problem dieser Gesellschaft. Aufmerksamkeit für die Zustände auf den Straßen unserer Stadt!«

Wohl um nicht in den Verdacht zu geraten, in Wirklichkeit vor allem Aufmerksamkeit für das eigene Unternehmen erregen zu wollen, wurde außerdem noch eine »Petition« veröffentlicht, in der konkrete Forderungen aufgelistet werden: »zumutbare/menschenwürdige Notunterkünfte, ausreichend Schlafplätze im Winterprogramm, keine reine Verdrängung sondern Schaffung von Alternativen, Konzepte zur Re-Integration der Betroffenen in die Gesellschaft, Ausarbeitung des Konzepts mit den bestehenden Einrichtungen und Organisationen«. Hinweise auf die Ursachen von Obdachlosigkeit finden sich bei Farbflut jedoch nirgends. Arbeitslosigkeit, miese Löhne, das Hartz-IV-Regime und Gentrifizierung werden nicht einmal angesprochen. Obdachlose sind ein gefälliges Objekt bürgerlichen Mitleids. Die Gründe für Obdachlosigkeit zu thematisieren, überfordert jedoch die Nächstenliebe.

Entsprechend verärgert reagierten dann auch die in der Regel selbst obdachlosen Redakteure von Hinz & Kunzt. »Diese Satire ist geschmacklos«, titeln sie nun und zitieren Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer: »Denen geht es um Profit und nicht um eine echte Auseinandersetzung.« Er gehe davon aus, »dass Farbflut Entertainment versucht, mit dieser Folgeaktion zum Pennergame neue Spieler zu gewinnen«. Der Jungle World gegenüber wollte sich Farbflut nicht äußern.
Dass die »Satire« nicht so richtig zündet, liegt wohl auch daran, dass die Realität ihr in nichts nachsteht. Das Ideal einer blitzblanken, besenreinen Stadt, in der es nur stören kann, wenn Menschen auf der Straße schlafen, essen und trinken, wird von der Stadtverwaltung emsig angestrebt. Die Stadtreinigung Hamburg hat eine Hotline »Saubere Stadt«, bei der man sich melden soll, wenn man »schmutzige Ecken« entdeckt hat. Vom 18. bis zum 27. März läuft die Aktion »Hamburg räumt auf!«, bei der Bürger zum Subotnik, zum freiwilligen, unbezahlten Arbeitseinsatz fürs Gemeinwohl, aufgerufen werden. »Obdachlose raus« ist der Subtext, den natürlich niemand laut aussprechen würde. So gesehen hat Farbflut doch etwas offengelegt. Der Einsatz für Menschen, die auf der Straße leben müssen, bleibt jedoch ohne das Engagement gegen die Ursachen der Obdachlosigkeit selbstgerechte Heuchelei.