Die Konflikte in der Eurokrise eskalieren

Wie ein Boomerang

In der Euro-Krise eskaliert der Konflikt darum, wessen Kapital entwertet werden soll.

Eine »differenzierte, wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung« soll es nun werden. Mit dieser mustergültigen Floskel aus dem »Handbuch Öffentlichkeitsarbeit« charakterisierte der Europäische Rat vorige Woche das oberste Ziel seiner Politik. Die »Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit« rangiert nur noch an dritter Stelle der Prioritätenliste.
Endgültig hatte die Wahl in Italien gezeigt, dass es wenig erfolgversprechend ist, den Entwertungsdruck, den die allgemeine Krise des Weltkapitals auf die Vermögen der Sieger in der Weltmarktkonkurrenz ausübt, auf die schwächsten Glieder der Zirkulation zu lenken, um sie zu Verlierern zu machen. Ökonomisch kehrt der externalisierte Entwertungsdrucks, zu jenen zurück, die ihn abzuleiten versuchten, denn die Sieger sind gerade deswegen Sieger, weil sie sich mit ihrem Kapital einen überdurchschnittlichen Anteil des gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts aneignen. Aus ihrem Vorteil in der Konkurrenz folgt der Besitz gerade jener Titel, auf die sie die Entwertung lenken. Politisch entfesseln solche Versuche die desintegrierenden Kräfte jener, die ihr ökonomisches Schicksal wieder an eine nationale Währung jenseits des Euro knüpfen möchten.
Allerdings kehrt der Entwertungsdruck nach der versuchten Externalisierung in allgemeinerer Form zurück. Weil die Bankenrettung zunächst als nationale Aufgabe der Souveräne betrachtet wurde, verlagerte sich der Entwertungsdruck vom privaten Anlagekapital auf die Staatsanleihen ­jener Staaten, die im Rettungswettbewerb die kürzeste Zeit mithalten konnten. Zwar befinden sich auch die Staatsanleihen in privatem Besitz, die Folgen der Entwertung sind trotzdem allgemeiner Art, weil von einer Staatspleite nicht nur – wie von einer Bankenpleite – die Bedingungen der jeweils individuellen Reproduktion der Einzelkapitale in Geldform bedroht sind, sondern auch die Reproduktion der Verwertungsbedingungen aller Kapitale.
Mit der »wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung« hat dieser Vorgang insofern etwas zu tun, weil sich so die Rolle erklärt, die Frankreich bei der Zurückdrängung des von Deutschland forcierten Zwangs zur »Haushaltsdisziplin« spielt. Der Entwertungsdruck kehrt mittlerweile bis nach Frankreich zurück, das Land droht vom Externalisierer zum Ziel einer dann nur noch deutschen Externalisierung zu werden – was den Irrsinn des deutschen Herrschaftsanspruchs offenbart. Denn im Sinne des Kapitals genützt hat das alles kein Stück. Noch immer steht das zugrundeliegende Problem von 2007 auf Platz zwei der Prioritätenliste des Europäischen Rats: »Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an die Wirtschaft«. Und jeder Versuch, eine Haushaltskrise zu lösen, führt schnurstracks zurück in die nächste Bankenkrise.
Dass die deutsche Krisenpolitik zurückgedrängt wurde, heißt nicht, dass sie verhindert würde – der Irrsinn, der sich in ihr ausdrückt, ist objektiv. Gerade mal einen Tag später kehrte er zurück, als die Finanzminister die widerrechtliche und offensichtlich dysfunktionale Aneignung von Sparguthaben in Zypern erzwangen. Im Versuch, Haushalts- und Bankenkrise zugleich zu lösen, offenbarte sich die Bereitschaft, gegen fundamentale Eigentumsrechte zu verstoßen, um Eigentum als solchem die Möglichkeit der Vermittlung zu erhalten, zu der es nicht mehr fähig ist.