Freispruch im NSU-Prozess

Die Schlagzeilen sprechen für sich: »Kein Platz für Türken«, »Türkische Medien un­erwünscht«, »Eklat beim NSU-Verfahren«. Ein Sturm der Empörung ist in der vorigen Woche über das Münchener Oberlandesgericht hinweggebraust. Und mittendrin die Justiz in Bayerns Landeshauptstadt, die sich in gewohnt deutscher Manier gleichermaßen schuld- wie ahnungslos gab. Wir haben doch größtmögliche Gerechtigkeit walten lassen, ließ der Strafsenat die aufgebrachte Öffentlichkeit wissen und plädierte sofort auf Freispruch. Die 50 Presseplätze für das Verfahren gegen die mutmaßliche braune Terroristin Beate Zschäpe seien nach Eingang der Anmeldungen vergeben worden. Kein Vertreter der türkischen oder griechischen Presse dabei? Sorry, deren Versäumnis. Wer zu spät kommt, muss halt sehen, wo er bleibt. Nämlich draußen.
Nun mag ja alles bürokratisch korrekt vonstatten gegangen sein. Doch das ändert wenig daran, dass es den Richtern zumindest eklatant an Fingerspitzengefühl mangelte. Ihnen musste klar sein, auf welch großes Interesse die Verhandlung über die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds stoßen würde – gerade bei Türken und Griechen. Schließlich haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt außer einer Polizeibeamtin neun Menschen mit »Migrationshintergrund« gezielt getötet – aus rassistischen Beweggründen. Und diese blutrünstigen Taten galten in Ermittlerkreisen (und damit auch in der deutschen Öffentlichkeit) klischeehaft als »Döner-Morde«. Typisch kriminelles Ausländer-Milieu eben. Schon allein wegen dieser schändlichen Einschätzung wäre es das Mindeste gewesen, türkischen und griechischen Medien von vornherein Plätze im Gerichtssaal zu reservieren. Sie hätten ein Recht darauf gehabt.
Wie auch die interessierte Öffentlichkeit ein Recht darauf haben sollte, Zeugin dieses besonderen Prozesses zu werden. Um dies zu ermöglichen, braucht es kein neues Gerichtsgebäude, in dem bei Bedarf Tausende Zuschauer Platz finden. Es genügen einige Fernsehkameras, die das Geschehen im Saal aufzeichnen und (sofern die juristische Voraussetzungen erfüllt sind) live in deutsche Wohnzimmer übertragen. Das mag zwar kein Quotenknüller werden, aber dafür gäbe es Aufklärung im besten Sinne des Wortes. Norwegen hat es vorgemacht. Dort hatte kaum jemand Zweifel daran, dass der Prozess gegen den Rechtsterroristen Anders Breivik ein TV-Ereignis sein muss. Keines, das unterhält, sondern eines, das pädagogisch wertvoll ist. Denn so konnte sich jeder ein Bild von dem Wahn machen, der den Massenmörder antrieb. Nun wollen wir wissen, wie es möglich war, dass braune Killer eine Blutspur durch Deutschland ziehen konnten – unbemerkt, unbehelligt und ungestraft.