Efraín Ríos Montt steht in Guatemala vor Gericht

Efraín Ríos Montt steht in Guatemala vor Gericht

In Guatemala muss sich unter anderem der ehemalige Diktator Efraín Ríos Montt vor Gericht wegen Genozids an der indigenen Bevölkerung verantworten. Das Ende der Straflosigkeit rückt näher.

Mit verhüllten Gesichtern berichteten am Dienstag vergangener Woche Frauen in Guatemala von den Misshandlungen, die sie 30 Jahre zuvor erlitten hatten. Sie taten dies im Rahmen des seit dem 19. März laufenden Prozesses gegen den damaligen Diktator General Efraín Ríos Montt, der sich nun wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschheit vor Gericht verantworten muss. Unter Anklage steht auch der ehemalige Chef des militärischen Geheimdienstes G-2, Mauricio Rodríguez Sánchez. Für ein Ende der Straflosigkeit haben sich Menschenrechtsbewegungen in Guatemala seit Jahren eingesetzt. Der Prozess gilt als möglicher Wendepunkt in der Geschichte des Landes. Die Generalstaatsanwältin Claudia Paz y Paz hat die Anhörung von insgesamt 205 Zeugen und Gutachtern beantragt. Die guatemaltekische Rechte gerät damit in die Defensive.
Die Zeugenaussagen der Frauen beziehen sich auf Ereignisse in den Jahren 1982 und 1983, als die guatemaltekische Armee im Departement Quiché Gemeinden angriff, die der militärischen Staatsführung als Rückzugsraum der Guerilla galten. Die dort lebende Gruppe der Ixil wurde pauschal zur Unterstützerin der Guerilla und damit zum militärischen Ziel erklärt. Es kam zu systematischen Massakern, Vertreibungen und Massenvergewaltigungen. Untersuchungen einer durch die Uno eingesetzten Wahrheitskommission nach dem Ende des Bürgerkriegs in den neunziger Jahren ergaben, dass damals 1 771 Menschen gestorben sind.

Die guatemaltekische Regierung erkennt all dies bis heute nicht an. Der Chef des staatlichen Friedenssekretariats SEPAZ erklärte noch voriges Jahr, dass kein Genozid stattgefunden habe. Der amtierende Präsident, Otto Pérez Molina, ist selbst ein ehemaliger General, der damals nahe der Tatorte stationiert war. Er strebt offiziell eine allgemeine Amnestie als »Schlusspunkt« an, möchte sich in die Arbeit der Justiz aber vorläufig nicht einmischen. Seit 1996, dem Ende des 36jährigen bewaffneten Konflikts, war eine solche Schlussstrichmentalität prägend für die Politik in Guatemala. Die für zahllose Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Militärangehörigen gehören nach wie vor zur politischen Elite des Landes. Ríos Montt genoss noch bis Januar 2012 Immunität als Parlamentarier. Ein Zeuge sagte nun aus, dass Pérez Molina und andere Befehlshaber die Zerstörung der Dörfer und die Ermordung ihrer Einwohner direkt angeordnet hätten.
Die Jahrzehnte des Bürgerkriegs haben deutliche Spuren in der guatemaltekischen Gesellschaft hinterlassen, die Geschichte wurden nie aufgearbeitet. Noch heute bestimmt die Gewalt den Alltag der Menschen. Häufig herrscht Straffreiheit. In Guatemala landen nur drei Prozent der angezeigten Vergehen vor Gericht und nur ein Bruchteil dieser Prozesse endet mit einer Verurteilung. Die Prozesse gegen die Militärangehörigen eröffnen nun die Möglichkeit, diese Verbrechen aufzuarbeiten.
Der Menschenrechtsanwalt Michael Mörth, der als Berater für die internationale Juristenkommission in Guatemala tätig ist, erklärte Anfang Februar in einem Interview mit Medico International, wie es gelang, die Generäle juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Seit den neunziger Jahren sei versucht worden, die Straflosigkeit zu durchbrechen. »Wir wären seinerzeit nämlich nicht in der Lage gewesen, Militärs und gar ranghöhere Offiziere anzugreifen« sagte Mörth in dem Interview. Zunächst wurden daher Mitglieder paramilitärischer Gruppen vor Gericht gebracht und verurteilt, später Militärangehörige der unteren und mittleren Ränge. Ein weiterer wichtiger Schritt sei die Ernennung der Generalstaatsanwältin Paz y Paz 2010 gewesen, da nun Personen juristische Verantwortung trugen, die sich tatsächlich für ein Ende der Straflosigkeit einsetzten. In den vergangenen beiden Jahren wurden schließlich zahlreiche Prozesse gegen ehemalige Militärangehörige in die Wege geleitet.

Der gegenwärtige Prozess gegen Ríos Montt und Rodríguez Sánchez stellt den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Er findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem in vielen Ländern Lateinamerikas die ehemaligen Militärmachthaber der siebziger und achtziger Jahre damit rechnen müssen, für ihre Verbrechen juristisch zur Rechenschaft gezogen zu werden. Insgesamt wurden in Argentinien seit 2006 fast 400 Personen wegen während der Militärdiktatur begangener Verbrechen verurteilt. In Peru kam es bislang zu 66 und in Chile zu über 150 Urteilen. Nur in Uruguay kam die Aufarbeitung der Militärdiktatur bislang nicht so recht in Gang. Im Februar erklärte das höchste Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, das solche Prozesse ermöglicht hätte.
In Uruguay wie in Argentinien wurden die Militärangehörigen dauerhaft delegitimiert und aus der Politik verbannt, in Guatemala ist dies bislang nicht der Fall. Auch der in Lateinamerika zu beobachtende Linkstrend der vergangenen Jahre hat das Land bislang nicht erreicht. Damit das so bleibt, hat ein einflussreicher Veteranenverband eine Medienkampagne gegen an dem Prozess beteiligte Personen, die vor den Folgen einer Verurteilung von Montt und Rodríguez Sánchez warnt, ins Leben gerufen. Die Unterstützer der Diktatur streiten ab, dass es in Guatemala einen Genozid gegeben hat. Am Montag vergangener Woche sammelten sie dafür Unterschriften, die sie dem Gerichtshof vorlegen wollen. Montt hingegen leugnet nicht den Genozid, sondern dass er dafür verantwortlich gewesen sei. Er habe keine entsprechenden Befehle erteilt und nichts davon gewusst. Ob er und die Kampagne zu seiner Verteidigung erfolgreich sein werden, ist fraglich. Die sozialen Bewegungen Guatemalas haben bislang einiges erreicht und befinden sich im Aufwind.