Krankheit ist verdächtig

Unter dem frohlockenden Titel »Jagd auf kranke Hartz-IV-Bezieher« berichtete die Bild-Zeitung am Montag, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) Krankmeldungen von Erwerbslosen verstärkt überprüft. Eine Sprecherin der BA bestätigte den Bericht, seit dem 1. April sollen die Sachbearbeiter besonders darauf achten, ob »begründbare Zweifel an der angezeigten Arbeitsunfähigkeit« bestehen, und gegebenenfalls Leistungen kürzen. In der Weisung an die Jobcenter listet die BA »fachliche Hinweise« für Verdachtsfälle auf, bei denen der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eingeschaltet werden soll. So seien Zweifel berechtigt, wenn sich Erwerbslose »auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer« oder am »Beginn oder am Ende einer Woche« krankmelden. Wer wiederholt Einladungen zu Meldeterminen wegen Krankheit versäumt, muss ebenfalls mit einer Untersuchung durch den MDK rechnen. Anlass dafür sei weder die Zunahme von Erkrankungen bei ALG-II-Beziehern noch eine Häufung fragwürdiger Krankmeldungen. Zahlen lägen der BA nicht vor, trotzdem sei es in den Jobcentern unstrittig, dass es solche Fälle gebe, sagte die Sprecherin. »Wir sagen den Vermittlern ganz klar: Lasst euch nicht von Leuten auf der Nase herumtanzen, die immer dann krank sind, wenn wir mit ihnen etwas vorhaben.« »Jeder anderen Institution würde so ein Vorgehen gegen die ihr unterstellte Klientel dermaßen um die Ohren gehauen, nur die Bundesagentur für Arbeit kann sich offenbar alles erlauben«, kommentierte Silvia Otto im Neuen Deutschland. Kritik daran, dass die BA ärztliche Atteste in Frage stellt, kam lediglich von Arbeitsloseninitiativen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Thomas Öchsner von der Süddeutschen Zeitung befand, das sei »ihr gutes Recht und kein Skandal«. Seine Warnung vor einer aufgeregten Debatte war übrigens völlig überflüssig: Wenn es um die Schikanierung der Armen geht, jubelt hierzulande leider nicht nur die Bild.