Meine schnönste Niederlage

Verlieren mit Kindern

Eltern werden ist der schnellste und sicherste Weg zum Scheitern. Jedes Mal, wenn der Dreijährige sich weigert, sein Brokkoli aufzuessen und stattdessen nach dem zweiten Fruchtzwerg schreit, fühlt man sich wie ein Totalversager. Wer daran scheitert, die Freude an in diesen Breitengraden gereiftem und daher bestenfalls nach nichts schmeckendem Gemüse zu vermitteln, verurteilt den Nachwuchs zu einem Junk-Food-Leben. Ebenso ist man von unerträglichen Schuldgefühlen geplagt, wenn die Siebenjährige einem das iPhone aus der Tasche klaut, um mit der neuen Version von Angry Birds Star Wars zu spielen. Sofort tun sich Szenarien einer verlorenen Jugend auf, die zwischen brutalen Computerspielen, Sex-Chats, fragwürdigen Facebook-Freundschaften und, natürlich, Junk-Food verbracht wird. Dass so keine Gewinner produziert werden, daran werden Eltern ständig erinnert, und der Druck nimmt zu. Aber scheitern wird man so oder so. Wenn aus dem Kind ein fehlerfrei funktionierendes Produkt werden soll, muss man mit einer Konsequenz vorgehen, die früher oder später in Form von blankem Hass zurückbezahlt werden wird. Wer es dagegen mit der Siegermentalität etwas lockerer nimmt, wird irgendwann mit dem moralischen Vorwurf konfrontiert, nicht genug Fernsehverbote verhängt zu haben.
 

Selbst, wer sich in der Kindererziehung dem neoliberalen Druck von Erfolg, Leistung und Gewinnmaximierung verweigert, fühlt sich als gescheitert, wenn er feststellen muss, dass den eigenen Kindern herzlich egal ist, ob sie gewinnen oder verlieren, wenn es darauf ankommt. Als mein achtjähriger Sohn vor einem Vorlesewettbewerb verkündete: »Ich freue mich, wenn ich Zweiter werde«, erschrak ich selbst, als ich mich in strengem Ton sagen hörte: »Warum Zweiter?« Auch seine Erklärung, er wolle keine zu hohen Erwartungen an sich selbst stellen, um nicht enttäuscht zu werden, hielt mich nicht davon ab, nachzulegen: »Fühlst du dich denn nicht vorbereitet genug, mein Schatz? Komm, dann üben wir noch ein bisschen, ja?« »Ne, lass mal. Gleich kommt Phineas und Pherb auf RTL II. Übrigens, von der Serie gibt es jetzt ein Spiel für die Playstation, darf ich das downloaden?« »Nur, wenn du den Lesewettbewerb gewinnst«, hätte eine Mutter des Typs Gewinner geantwortet. Mir dagegen fiel das erst ein paar Minuten später ein, nachdem ich schon »Ja, ist okay« gesagt hatte. Die Selbstzweifel, die mich den ganzen Abend begleiteten, waren jedoch unbegründet: Den Wettbewerb hat er gewonnen.