über den jüdischen Weltkongress in Budapest

Der Judenmacher

Auf dem jüdischen Weltkongress, der am Wochenende in Budapest getagt hat, entlarvte sich Ungarns Regierung wieder einmal als unfähig, einen konstruktiven Dialog zu führen.

Der jüdische Weltkongress (WJC) kam am vergangenen Wochenende illusionslos nach Budapest. Falls Viktor Orbán & Co. geglaubt haben sollten, die Anwesenheit des WJC könne als Beweis dafür dienen, dass nur einige wenige Ungarn antisemitisch eingestellt seien und die Regierung damit nichts zu tun habe, dann wurden sie eines Besseren belehrt. Während des feierlichen Abendessens hatte der Präsident des WJC, Ronal Lauder, klare Worte gefunden. Er wies darauf hin, dass unter der ehemaligen ungarischen Regierung von Admiral Miklós Horthy, eines »bösartigen Antisemiten«, bereits 1920 ein antisemitisches Gesetz und nach 1938 eine eigene Version der Nürnberger Rassengesetze beschlossen wurden. »Horthy verbündete sich mit Hitler«, vergaß er nicht zu erwähnen und wies darauf hin, dass die erste Deportation bereits 1941 erfolgt war.
Lauder sprach über die Wirkung der Legenden über die angebliche jüdische Weltherrschaft sowie über Holocaust-Leugnung. Ausdrücklich erwähnte er auch die Hetze gegen Roma und nannte Orbáns guten Freund Zsolt Bayer als einen der Hetzer. Vielleicht nicht gerade zufällig hielt an jenem Wochenende dieser Bayer, ein »Fäkalantisemit«, einen Vortrag vor dem rechtsextremen Verein Hunnia in Stuttgart. Lauder erwähnte auch die Denkmäler für Horthy und den Horthy-Kult.
Bereits vor Beginn des Kongresses gab János Lázár, Kanzleichef von Viktor Orbán, den Tenor an, als er sagte, es sei »grob unethisch«, wenn »erlittene Verletzungen in der Politik und im Geschäftsleben mit dem Vorwurf des vermeintlichen Antisemitismus vergolten werden«. Er nutzte eine typische Abwehrformel, die es unmöglich machen soll, über konkrete antisemitische Phänomene zu diskutieren. Denn laut den Verfechtern des völkischen Kurses gibt es in Ungarn hauptsächlich »vermeintlichen« Antisemitismus und darüber sprechen lediglich »die beruflichen Angsthaber«.
Orbáns Rede strotzte nur so von Gemeinplätzen und er eröffnete damit, dass anderswo in diesem Europa Juden ermordet worden seien, während es in Ungarn nicht dazu gekommen sei. Er sprach von einer von »Nazis und Pfeilkreuzlern« begangenen Vernichtung, als hätte nicht die von Horthy eingesetzte Regierung die Deportation der jüdischen Ungarn durchführen lassen. Er versäumte es nicht, von der »ersten demokratischen Verfassung« seiner Regierung zu sprechen, die er pries, obwohl sie in weniger als anderthalb Jahren bereits viermal ergänzt werden musste und von der EU mehrfach beanstandet wurde. Diese neue Verfassung garantiere »die Menschenwürde, die Würde des Einzelnen und der Gemeinschaft des jüdischen Volkes und selbstverständlich aller Minderheiten, die neben uns leben«, behauptete Orbán. Eine offensichtliche Lüge.
Diese Gegenüberstellung von Ungarn und Juden und sein Gerede über die »jüdische Minderheit«, als ob es eine solche in Ungarn gäbe, sind unerträglich. Denn in der Praxis bedeutet dies, dass nicht der einzelne ungarische Staatsbürger seine Identität bestimmt, sondern die von Orbán & Co. gestaltete Volksgemeinschaft aus Ungarn, die keine Juden sind, Angehörige des »jüdischen Volkes« macht. Orbán setzt ungestört von der öffentlichen Meinung in Europa und von der EU seinen völkischen Kurs fort.