Die Änderung des Abtreibungsgesetzes in Irland

Gebären um jeden Preis

In Irland soll die rigide Gesetzgebung über Schwangerschaftsabbrüche reformiert werden. Frei entscheiden dürfen Schwangere weiterhin nicht.

Die irische Regierung hält daran fest, eine schwangere Frau als »Mutter« zu bezeichnen und das Recht des Ungeborenen auf Leben nicht nur über die Entscheidungsfreiheit der Schwangeren zu stellen, sondern auch über ihre Gesundheit und ihr eigenes Leben. Im Oktober 2012 starb in Galway die 31jährige Savita Halappanavar an einer Sepsis, die durch eine beginnende Fehlgeburt verursacht worden war. Im Krankenhaus wurde ihr ein Abbruch trotz mehrfacher Bitten verweigert, denn der sterbende Fötus hatte noch einen Herzschlag. »Savita hatte auch einen Herzschlag« stand auf Schildern auf den Massendemonstrationen nach ihrem Tod. In einer der eindrücklichsten Reden während dieser Proteste erklärte die selbst hochschwangere Pro-Choice-Aktivistin Sinead Redmond auf den Stufen des Parlaments in Dublin: »Jetzt kann man nicht ruhig bleiben. Jetzt muss man wütend sein!«

Es gibt einiges, worüber man wütend sein kann. Auch jetzt noch, da der Gesetzesvorschlag, der seit dem »Fall X« vor über 20 Jahren in Irland gefordert wurde, auf Druck des Europäischen Gerichtshofs endlich vorliegt und diesen Sommer verabschiedet werden soll. Denn er hält an dem Verbot des Abbruchs fest. Nur eine »eindeutige und schwere Gefährdung des Lebens der Mutter« rechtfertigt demnach diese Maßnahme. Das hätte Halappanavars Leben nicht gerettet, das Warten auf die schwere Gefährdung dauerte zu lange.
Bis zu 14 Jahre Freiheitsstrafe kann ein in Irland illegal vollzogener Abbruch nach sich ziehen. Nach Großbritannien zu reisen, um dort einen Abbruch vorzunehmen, wird nun hingegen für legal erklärt. Frauen, die sich diese Reise nicht leisten können, bestellen obskure und gefährliche Medikamente ohne Gebrauchsanweisung im Internet. Es gibt keinerlei Aufklärung durch irische Ärzte oder in Schulen. Pro-Choice-Aktivistinnen, die öffentlich Aufklärungsmaterial über die Möglichkeiten von Schwangerschaftsabbrüchen verteilen, riskieren Gefängnisstrafen.
Dass er überhaupt ein Gesetz verabschieden will, setzt den irischen Ministerpräsidenten Enda Kenny dem Druck der Kirche aus. Sein Buch sei nicht in erster Linie die Bibel, sondern die Verfassung, erwiderte er Kardinal Sean Brady, der mit Exkommunikation drohte. Kenny, der der konservativen Partei Fine Gael angehört, ist der Erste, der sich überhaupt an eine Gesetzesreform heranwagt. Doch geht dieses Gesetz gerade so weit, der Forderung der EU nach klaren Richtlinien für Ärzte nachzukommen – und das heißt: kein Abbruch. Denn in der irischen Verfassung steht, dass das Leben mit der Zeugung beginnt.

Wie diese Zeugung zustande kam, spielt dabei keine Rolle. Eines der umstrittensten Aspekte des Gesetzesvorschlags ist der Umgang mit dem Suizidrisiko bei ungewollter Schwangerschaft. Der »Fall X« betraf 1992 ein 14jähriges Mädchen, das infolge einer Vergewaltigung schwanger geworden war. Selbst die Ausreise nach Großbritannien wurde ihr nicht ohne einen Gerichtsstreit bewilligt, vom Abbruch ganz zu schweigen. Das Mädchen war suizidgefährdet, was allerdings nie als Gefahr für ihr Leben akzeptiert wurde. Im jetzigen Gesetzesvorschlag wird diese Belastung zwar berücksichtigt, doch muss eine suizidgefährdete Frau dies zunächst vor einem aus drei bis sechs Ärzten bestehenden Ausschuss beweisen. Wird ihr der Abbruch verweigert, droht ihr Internierung in der Psychiatrie für die Dauer der Schwangerschaft.
Aber selbst das ist schon inakzeptabel für Abgeordnete wie Brian Walsh aus West Galway, wo Halappanavar starb. Er erklärte, gegen den Gesetzesvorschlag stimmen zu wollen. Die Irish Times behauptet derweil frohgemut, es gebe keinerlei Beweise dafür, dass ein Abbruch gegen Selbstmordgefahr »helfen« würde. Das sei, als würde man den Bankier erschießen, weil man Geld verloren hätte. Diese Argumentation ist natürlich absurd, aber sie zeigt, dass Schwangerschaft für eine Frau als Schicksal angesehen wird, mit dem sie leben muss. »Das Leben ist nun mal hart«, erklärte Peter Mathews, Abgeordneter der Fine Gael. »Schließlich sterben wir alle irgendwann.«