Unhöflich zu Atomwaffen

Eigentlich hätten sie und ihre Mitstreiter auch dafür gelobt werden können. Schließlich hat Megan Rice auf eine bedeutende Sicherheitslücke aufmerksam gemacht. Für Monitoring werden meist Unsummen ausgegeben, den Überprüfungsservice führten Rice und Kollegen hingegen nahezu kostenlos durch. Gut, ein bisschen Sachbeschädigung gab es inklusive, aber das gehört eben zum Testlauf, wenn er authentisch wirken soll. Am 28. Juli vergangenen Jahres machten sich Rice, Michael Walli und Greg Boertje-Obed vor Sonnenaufgang auf nach Oak Ridge, Tennessee. Das Ziel der Atomwaffengegner war Y-12, ein Militärkomplex, in dem Nuklearwaffen produziert werden. Mit Bolzenschneidern arbeiteten sie sich durch vier Maschendrahtzäune bis zum HEUMF vor, der Anlage für Materialien mit hoch angereichertem Uran im eigentlich am stärksten gesicherten Teil des Geländes. An die Außenwände der Anlage sprühten sie biblische Sprüche über Gewaltlosigkeit, hängten Protesttransparente auf und meißelten symbolisch ein Stückchen aus der Wand. Ungefähr zwei Stunden dauerte die pazifistische Mission.
Aber kein Wort des Dankes für den Hinweis auf die Nation bedrohende Sicherheitsmängel kam von den US-amerikanischen Sicherheitsbehörden. Ihnen war das Ganze mehr als peinlich, immerhin waren es keine schwerbewaffneten und toptrainierten Terroristen, die es bis ins Herz der wichtigsten Atomwaffenanlage der USA geschafft hatten und noch dazu das nukleare Abschreckungspotential des Landes empfindlich störten: Rice ist eine 83jährige katholische Nonne – an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Auch ihre Mitstreiter sind bereits um die 60. Die drei müssen nun für die Versäumnisse der Sicherheitskräfte büßen. Am Donnerstag vergangener Woche befand ein Bundesgericht sie gemäß dem Sabotagegesetz für schuldig, eine Verteidigungseinrichtung beschädigt und außerdem Bundeseigentum im Wert von mehr als 1 000 US-Dollar zerstört zu haben. Insgesamt drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft. Das Urteil soll im September gesprochen werden. Die greise Friedensaktivistin bereut ebenso wie ihre Mitangeklagten nichts, nur dass sie »70 Jahre gewartet« habe mit ihrem Einsatz, könne sie sich nicht wirklich verzeihen, erklärte sie vor Gericht. Ihren Bischof habe sie auch nicht vorab über ihr Vorhaben informiert. »Ich habe mich in meinem Leben vieler Unhöflichkeiten schuldig gemacht«, meinte sie.