Arbeitsintensiver Überfunk

Berlin Beatet Bestes. Folge 194. Solo Hit: Ododo/Imoikeme (2013).

Eigentlich habe ich von afrikanischer Popmusik der sechziger und siebziger Jahre keinen blassen Schimmer. Für diese im April erschienene Single habe ich dennoch, ohne sie vorher anzuhören, zehn Euro bezahlt, obgleich Singles im Indie-Plattenladen für durchschnittlich sechs bis acht Euro angeboten werden. Es scheint zwar wenig Sinn zu ergeben, so viel Geld für zwei Songs auszugeben, die ich mir dann, noch bevor ich die Platte zu Hause auflege, auf Soundcloud anhöre. Aber manchmal kaufe ich mir eben auch eine Single, weil sie so schön ist.
Das kartonierte Company Sleeve – in deutschen Sammlerkreisen weniger elegant »Firmenlochhülle« genannt – verkündet: »Analog African Limited Dance Edition. The finest tropical dance music«. Es ist die erste Single des Frankfurter Labels Analog Africa, das seit 2008 mehr als zwei Dutzend hervorragende Reissue-Compilations auf LP und CD veröffentlicht hat. Aber keine Sorge, nur um sie ins Regal zu stellen, habe ich diese Single nicht gekauft.
Im Moment ist es vor allem der Objektcharakter, der mich beschäftigt. Das Label würdigt mit dieser Single nicht nur die afrikanische Popmusik, sondern auch die Schallplatte an sich. Ich behaupte, dass in diesem Fall die real existierende kleine Schallplatte den Genuss der Musik erst richtig zur Entfaltung bringt. Nur durch das Objekt kann sich der Hörer dem Schallplattenarchäologen halbwegs annähern. Die Gefühle des Jägers und Sammlers, der sich mit schmutzigen Fingern durch Hunderte Kisten voll staubiger Schallplatten gräbt, sind vielleicht nur für jemanden nachvollziehbar, der nach langer Suche schon mal etwas Ähnliches in Händen gehalten hat. Analog Africa ist es mit dieser Platte gelungen, die Liebe zur Musik mit der Liebe zum Objekt zu verbinden.
Betrieben wird das Label von Samy Ben Redjeb, einem Deutsch-Tunesier und leidenschaftlichen Plattensammler. Er trug Originalplatten in Nigeria zusammen und organisierte Originalbänder sowie die Rechte für die Wiederveröffentlichung an Ort und Stelle. Wahrscheinlich würde sich ein derart arbeitsintensives, akribisches Vorgehen gar nicht lohnen, würde die Musik ausschließlich digital wiederveröffentlicht. Allerdings war mir Analog Africa zuerst durch seinen Blog bekannt, auf dem 2007 zwei unveröffentlichte, aber leider völlig verzerrte Bandaufnahmen des Orchestre Poly-Rhythmo de Cotonou aus dem Jahr 1973 erschienen sind.
Hinter dem Pseudonym Solo Hit steckt der Nigerianer Ohieirme, der diese zwei überfunkigen Solo-Hits auf seiner LP aus dem Jahr 1981 versteckte.
Das extrem groovende und tanzbare »Ododo« und der saxophonlastige, jazzige Song »Imoikeme« sind erstmals auf Single ausgekoppelt. Diese Platte ist der hoffnungsvolle Auftakt einer Serie von Singles, nach denen ich mit Sicherheit die Augen aufhalten werde.