Der Samsung-Hut

Fast nichts wäre auffällig an jener Gruppe nicht mehr ganz junger Leute in der U-Bahn. Doch das Grauen steckt im Detail. Es nahm die Gestalt eines weißen Plastikhuts auf dem Kopf eines der Knaben an, in der Passform jenen Modellen nachempfunden, mit dem alternde Partyhengste ihren zurückweichenden Haaransatz zu kaschieren pflegen. Darauf, ohne sonstigen Kommentar, das Samsung-Logo. Wie ein brennendes Irrenhaus flackerte die Erkenntnis auf, welche Bewandtnis es mit diesem Accessoire hat – signalisiert der Träger doch allen: Jawohl, in diesem Kopf ist wirklich überhaupt nichts mehr los, hier ist niemand mehr, schon gar kein Gedanke zu Hause; keine Traurigkeit wohnt hier, keine Hoffnung auf Weltenbrand oder zumindest auf ganz andere, niegesehene Handys. Es ist das Signal vollkommener Unterwerfung. Zwar wurde schon in der Antike der Name des Besitzers auf die Stirn seines Sklaven geschrieben – doch war der Sklave immerhin frei genug, dass er dies nicht freiwillig geschehen ließ. Wenn Fußballspieler viel Geld von Sponsoren erhalten, zahlt der weniger Beinstarke noch drauf, damit ihm der Schriftzug »Ray Ban« die Sonnenbrillensicht behindert – beide tun’s aber aus egoistischem Kalkül. Wenn sich in Karlsruhe bereits ganze Familien in Jack-Wolfskin-Uniformen hüllen, mag der Kulturkritiker »Sturmabteilung!« schreien – sie tun’s doch nur aus Standesdünkel; denn man muss richtig reich sein, um für hässliche Kleidung viel Geld auszugeben. Wer jedoch Samsung-Hüte trägt, noch dazu als Freizeitspaß, hat Vernunft und Menschenliebe komplett entsagt, der trägt auch Dissidenten zum Schafott. Pfui und Schande über sie!

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.