9125 Nächte

Sie haben kein Privatleben, futtern das Müsli aus der Tüte und klauben nur trockene Tabakkrümel zusammen. Sie schätzen Subkultur, lieben Punk und kommen vor lauter Arbeit nicht dazu, sich für dieses publizistische Hexenwerk auf die Schultern zu klopfen. 25 Jahre lang wird das Fanzine Wahrschauer in mal mehr, mal weniger regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Noch immer arbeitet die Redaktion unermüdlich daran, sich durch die Fluten musikalischer Neuveröffentlichungen zu hören. Weshalb der Rückblick in der gerade erschienenen Jubiläumsausgabe übersichtlich ausfällt. Auf Seite 6 geht’s schon um den NSU. Auf Seite 4 unterhält man sich über Turbonegro, danach wünscht sich Bernadette La Hengst die Herrschaft der Langeweile und später werden Punks in China besucht. Alexander Troll, Verleger und Herausgeber des Hefts, ist unser Bürokollege. Wenn wir mittags zur Arbeit erscheinen, kommt er uns schon entgegen. Vermutlich arbeitet er die Nächte durch. Seit 25Jahren, es kann nicht oft genug betont werden.   oko
Ravegesellschaft der Bürger
Oh, Adolf Hitler wird von Oliver Polak gespielt. Oh, Adolf Hitler wird in »Ich bin Adolf Hitler« als armselige, besoffene, kotzende Figur im versifften Unterhemd dargestellt. Irgendwie hätte man von K.I.Z., denen der Ruf vorauseilt, nicht nur Krawallbrüder und Clownrapper zu sein, sondern obendrein noch ziemlich klug, mehr erwartet. Apropos Satire. Für Realsatire sind andere zuständig. Die frühe deutsche Raveszene wird wieder an die Oberfläche geholt. Westbam ist zurück, weise geworden, Marusha macht in der Welt Werbung für die CDU und erklärt, wie sie ihre Liebe zur deutschen Nation und zu Angela Merkel entdeckt hat. »Seit die Bundeskanzlerin das Land repräsentiert, interessiert sich die Welt für Deutschland. Ich freue mich jeden Tag, dass wir auch Krisenländern helfen können. Wir sind die Sanierer. Die Bausparermentalität, wie sie Angela Merkel an den Tag legt, ist die Kultur unserer Wertegesellschaft.« Marusha, tell it like it is! Dein Regenbogen ist schwarz-grün.   oko
Rüpel und Prinzipien
Wer trägt die zerschlissensten T-Shirts? Wer hat die übelsten Tätowierungen? Wer spricht am wenigsten, hat nur ein Gesicht, ist ein Brutalo mit Unschuldsblick und trägt die Zigarettenpackung im Hosenbund? Richtig, Ryan Gosling. Wie es sich für ein draufgängerisches Raubein gehört, liebt er die Gefahr so sehr wie die Geschwindigkeit. Waren es in »Drive« Autos, ist es nun ein laut knatterndes Motorrad, eine Geländemaschine – und er, der Außenseiter, der eigentlich nur sesshaft werden und vielleicht ein bisschen Verantwortung übernehmen möchte, fährt das Teil, als sei der Teufel hinter ihm her. »The Place Beyond the Pines« von Derek Cianfrances (»Blue Valentine«) ist ein großes Epos über Schuld und Verlierer am Rande der Gesellschaft, die niemals gewinnen können; über Prinzipien, die bei Erfolgsaussichten zu Schall und Rauch werden. Man kann dem Film nicht vorwerfen, dass er zu wenig erzählt. Allein seine leichte theatralische Überspanntheit mag in Momenten peinlich berühren – eine Kleinigkeit bei diesem großen Film.   oko
Keine Gnade
Ein Ausbund an Härte und Kompromisslosigkeit: Arnold Schwarzenegger drängt zurück ins Filmgeschäft. Die Dreharbeiten zu »Terminator 5« beginnen im Januar. Keine Frage, Arni war immer cool als Terminator. Dass er aber in einem weiteren »Twins«-Teil auftreten, ja sogar wieder »Conan The Barbarian« spielen will – es zwingt einen in die Knie! Man kann nur hoffen, dass kein weiterer Teil von »Hercules in New York« gedreht wird.   oko