Skandal um die Vatikanbank

Pecunia non olet

Die Vatikanbank hat einen neuen Geld­wäscheskandal.

Der Name des Bettelmönchs ist Programm. Seit seinem Amtsantritt predigt Papst Franziskus, kirchliche Werke mit dem Herzen der Armut voranzubringen, »nicht mit dem Herzen eines Investors oder eines Unternehmers«. Bereits im April erklärte er, die Vatikanbank, das Institut für die religiösen Werke (IOR), sei zwar wichtig, aber eben nur »bis zu einem gewissen Punkt«. Am Wochenende predigte er Mut zur Veränderung alter Strukturen. Zu den Forderungen nach einer Schließung des IOR oder seiner Umwandlung in eine Ethikbank, wie sie von einigen kurienkritischen Kardinälen erhoben werden, äußerte er sich jedoch nicht, denn so einfach lässt sich das kriminelle Interessengeflecht der Vatikanbank nicht auflösen.
Die Geschichte der Finanz- und Politskandale des IOR ist lang (Jungle World 23/ 2012). Wie geistliche Mittelsmänner für italienische Politiker und Ma­fiabosse Nummernkonten führen und Geldwäsche betreiben, dokumentierte zuletzt Gianluigi Nuzzis Weltbestseller »Vatikan AG«. Der italienische Journalist behauptet aber auch, Joseph Ratzinger habe versucht, das alte Machtsystem zu zerschlagen. Tatsächlich legte die von Benedikt XVI. eingerichtete Finanzaufsicht (AIF) im Mai ihren ersten Jahresbericht vor, wonach 2012 sechs der Geldwäsche verdächtige Transaktionen des IOR aufgedeckt werden konnten.
Nicht angezeigt wurde von der AIF dagegen der jüngste Skandal, die mutmaßlich kriminellen Machenschaften des Prälaten Nunzio Scarano. Seit Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft Salerno gegen den Rechnungsprüfer der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (APSA) wegen des Verdachts, er habe über zwei bei der Vatikanbank geführte Konten insgesamt eine halbe Million Euro gewaschen. Aufsehen erregte die Affäre um Scarano allerdings erst infolge eines zweiten Ermittlungsverfahrens. Darin wirft ihm die Staatsanwaltschaft Rom vor, zusammen mit einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter und ­einem Finanzmakler für eine befreundete neapolitanische Reedereifamilie in einem Privatjet 20 Millionen Euro aus der Schweiz geschmuggelt zu haben. Der Geistliche sitzt deshalb seit Ende Juni in Untersuchungshaft.

Über seinen Pressesprecher ließ der Vatikan mitteilen, man habe Scarano bereits nach Bekanntwerden des ersten Ermittlungsverfahrens suspendiert. Doch just am Tag der ersten Vernehmung des ehemaligen Buchhalters erklärten die Generaldirektoren des IOR, Paolo Cipriani und Massimo Tulli, ihren Rücktritt. In der offiziellen Begründung heißt es knapp, dieser Schritt sei »im Interesse des IOR und des Heiligen Stuhls erfolgt«. Spekulationen, wonach der Vatikan sich von beiden Managern distanzieren wollte, weil zu erwarten war, dass sie sich nicht nur wegen der Strafsache Scarano vor Gericht verantworten müssen, wurden am Wochenende bestätigt.
In einem weiteren, von der Strafsache Scarano unabhängigen Verfahren legte die Staatsanwaltschaft Rom ihren Abschlussbericht vor. Cipriani und Tulli werden darin mehrere Verstöße gegen die Anti-Geldwäsche-Gesetze vorgeworfen. 2010 und 2011 habe das IOR wie eine Offshore-Agentur gewirkt und in einer illegalen Transaktion 24 Millionen Euro gewaschen.
Eingestellt wurden dagegen die Ermittlungen gegen den ehemaligen IOR-Präsidenten Ettore Gotti-Tedeschi, der sich seit Beginn des Verfahrens kooperativ gezeigt hatte, aber im Frühjahr 2012 auf Drängen IOR-interner Kritiker seines Amtes enthoben wurde. Die Aufgaben des Direktoriums übernimmt vorerst Gotti-Tedeschis Nachfolger, der Präsident des IOR-Aufsichtsrats, Ernst von Freyberg.

In einem Interview mit der Tageszeitung Corriere della Sera hatte der deutsche Präsident der Vatikanbank noch Ende Mai beteuert, man werde das IOR von seinem schlechten Ruf befreien, dabei bilde er mit Cipriani und Tulli »ein gutes Team«. Nun sagte er, die Vatikanbank habe zwar seit 2010 ernsthaft daran gearbeitet, die internen Strukturen und Verfahren den internationalen Standards anzugleichen, doch bedürfe es jetzt einer neuen Direktion, »um den Rhythmus dieses Angleichungsprozesses zu beschleunigen«.
Tatsächlich könnte auch Freyberg nur noch auf Abruf im Amt sein. Ratzinger hatte ihn im Februar ernannt, nur wenige Tage vor seinem Rücktritt auf Vorschlag des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone. Der Kurienchef steht jedoch seit der »Vatileaks«-Affäre im Zentrum der Kritik. Bertone wird vorgeworfen, von Amts wegen von den IOR-Konten gewusst zu haben, über die korrupte Bauunternehmer ihre Aufträge abwickelten. Überdies werden ihm Kontakte zu der von Franziskus beklagten »Gay Lobby« nachgesagt.
Dass der Papst Mitte Juni den Leiter des Gästehauses, in dem er seit seiner Wahl lebt, zum Hausprälaten des IOR ernannte, gilt als Versuch, einen direkten päpstlichen Beobachter zwischen dem Aufsichtsrat unter Freyberg und der über­geordneten Kardinalskommission unter Bertone zu installieren. Zusätzlich setzte Franziskus noch eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die unter dem Vorsitz von Kardinal Raffaele Farina bis Oktober Vorschläge für eine umfassende Reform des Geldinstituts ausarbeiten soll, dessen Aktivitäten künftig mit dem Auftrag der Kirche »besser harmonieren« sollen. Für den Herbst ist auch die Ernennung des neuen Staatssekretärs angekündigt. Ob mit der Ablösung Bertones die alten Seilschaften der römischen Kurie zerstört werden und Franziskus die gepredigte Erneuerung verwirklicht, bleibt fraglich. Immerhin hat der Vatikan dank seiner Finanzgeschäfte 2012 einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, sodass die Vatikanbank vorige Woche ankündigte, dem Papst werde eine bedeutende Summe »zur Unterstützung karitativer Zwecke« zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2012 belief sich der entsprechende Betrag auf mehr als 50 Millionen Euro.